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Der dicke Löwe kommt zuletzt

Der dicke Löwe kommt zuletzt

Titel: Der dicke Löwe kommt zuletzt
Autoren: Max Kruse
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hätte gern etwas gegessen, aber der Scheich reichte nun beiden eine Pfeife, und sowohl der Sultan als auch das Kamel rauchten schweigend, wie es hier anscheinend Sitte war. Mit jedem Zug fühlten sie sich wohler, endlich war es ihnen, als ob sie zu schweben begännen.

Die Blaue Wolke

    Als Ka den Sultan mit dem Kamel im Zelt verschwinden sah, verließ er sein Versteck, flog herbei und suchte einen Durchguck. Ein schmaler Spalt zwischen Zeltwand und Boden ließ ihn etwas sehen und hören, wenn er den Kopf duckte. Es war sein Glück, daß er nicht hindurchschlüpfen konnte und es auch nicht versuchte — es wäre ihm sonst wohl nicht besser ergangen als seinen beiden Freunden.
    Er hörte den Scheich mit einschläfernder, jedoch eindringlicher Stimme sprechen: »Ihr werdet es nicht bereuen, meinem Ruf gefolgt zu sein, der in alle Welt geht und dem niemand widerstehen kann. Die seltsamsten Formen sind es, in denen die Menschen die Kunde erreicht; oft sind es Berichte über das wunderbare Dasein auf der Glücklichen Insel. Man flüstert es sich hinter der hohlen Hand zu, man schwärmt davon. Aber es kommt auch vor, daß man als Warnung davon erfährt. Wie auch immer — schließlich kommt jeder hierher. Und sei es nur aus Neugierde. Erst waren es nur zwei, dann zehn — jetzt sind es fast hundert. Und alle bleiben! Sie bleiben bis zu dem Tag, an dem wir von hier ausziehen werden, um die Welt zu erobern!«
    Das sind ja schöne Geschichten, dachte Ka.
    Der Sultan vernahm die beschwörende Stimme nur noch wie durch einen Nebel. Und doch erschien ihm alles so klar, alles so richtig, was der Scheich sagte, als habe er es insgeheim selbst immer gedacht. Zugleich hatte er die Empfindung, als ob sich das Zelt öffne, als ob er wunderbare Formen und Farben sähe, wie er sie bisher niemals erblickt hatte; er spürte sich aus seinem Körper heraustreten und sich gegenüberstehen wie ein Fremder, der aber sein bester Freund war. Sein Blut rauschte, wurde zu einer geheimnisvollen Musik; noch nie hatte er ein so vollkommenes Glücksgefühl erlebt.
    Und so war es kein Wunder, daß er allem, was der Scheich sagte, vollkommen geöffnet war und kein Geheimnis vor ihm hatte. Bald hatte dieser erfahren, wen er vor sich hatte: »Du wirst Miriam sehen und sprechen, Sultan«, sagte er, »du wirst hier leben! Und Tag für Tag werde ich dir das Glück bescheren, das dich jetzt durchströmt und dem nichts auf der Welt vergleichbar ist, nicht Macht noch Reichtum. Nur Kleinigkeiten fordere ich von dir als Gegenleistung: Die eine ist Gehorsam, die zweite sind tausend Goldstücke. Tausend Goldstücke, die du nicht mehr brauchst, da von heute an jede Sorge von dir genommen ist und du dich in einem Zustand dauernder Wonne befinden wirst.«
    Dies alles — wie gesagt — klang dem Sultan wie aus weiter Ferne und doch so vertraut. Alles erschien ihm selbstverständlich. Der Scheich brachte ihm ein Blatt Papier, auf das er rasch eine Anweisung auf tausend Goldstücke geschrieben hatte. Und der Sultan Unterzeichnete, ohne zu zögern. Seine Schrift wurde so weit und geschwungen wie sein Seelenzustand. Ka wollte »Nein, nein!« krähen. Aber er unterließ es lieber. Der Sultan hätte wohl auch kaum auf ihn gehört, er schaute mit geistesabwesendem Blick auf die Zeltwand. Sah er dort wunderbare Erscheinungen? Und das Kamel — Gott sei’s geklagt — schien auch nicht mehr bei klarem Verstand zu sein.
    Durch den feinen Qualm der Kerzen und den Rauch der Pfeifen hatte sich das Zelt mehr und mehr mit einem blauen Dunst gefüllt, mit einer Wolke aus Träumen und Phantasien...
    Ka erkannte den Sultan und das Kamel nur noch undeutlich. Beide schlossen jetzt die Augen. Ihre Köpfe sanken vornüber. Der Scheich lächelte hinterhältig. Er sprach nichts mehr. Er wartete nur noch ab, aber er brauchte nicht mehr lange Geduld zu haben.

    Das Kamel ließ den Kopf auf den Boden fallen. Es schlief. Und der Sultan schwankte hin und her — bis er das Gleichgewicht verlor. Da lag er nun wie ein umgefallener Sack.
    Jetzt nickte der Scheich. Er klatschte leicht in die Hände. Durch die hintere Zeltwand traten zwei bärenstarke Gesellen. Sie packten die Teppiche, auf denen der Sultan und das Kamel schlummerten, und schleiften sie beide durch einen Vorhang. Da verschwanden sie... Wo? Im Bergesinneren? Das Entsetzen des armen Ka war namenlos.
    Angst packte den kleinen Vogel. Waren der Sultan und das Kamel schon tot — oder drohte ihnen noch ein schreckliches Ende?
    Er jagte
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