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Der dicke Löwe kommt zuletzt

Der dicke Löwe kommt zuletzt

Titel: Der dicke Löwe kommt zuletzt
Autoren: Max Kruse
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über das Meer zurück nach Sultanien, zurück zu Löwe, Kim, Pips und Wu.

Spiele, die keine sind

    Wenige Stunden später sah Ka die vertrauten Dächer und Kuppeln unter sich. Er war geflogen ohne Pause, ohne eine Sekunde zu rasten. Und obwohl er zu Tode erschöpft war, atmete er doch beim Anblick der Stadt mit ihrem Gassengewirr befreit auf.
    Kim, Pips, Wu und Löwe befanden sich im Park am Springbrunnen — dort, wo der Sultan früher so gerne geweilt hatte, um sich am Spiel der blitzenden, aufsteigenden und fallenden Tropfen zu erfreuen.
    Pips saß auf dem Brunnenrand. Sie ließ kleine Papierschiffchen, die Kim zusammenfaltete, hinübersegeln zu Löwe und Wu, die sie — wenn sie trocken unter dem Sprühregen hindurchgelangten — umdrehten und zu Pips zurückschickten. Die kleinen weißen Boote trieben allerdings kreuz und quer, wie es der launische Wind gerade wollte. Überhaupt sah es nicht sehr nach einem lustigen Spiel aus, sondern mehr nach einem Zeitvertreib, dem man sich hingibt, um nicht immer trüben Gedanken nachzuhängen.
    Als Ka nun auf dem Brunnenrand landete, vergaßen sie auch gleich die Papierschiffchen. Sie liefen zu ihm, die einen von rechts, die anderen von links. Ach, schön war es, wieder hier zu sein! Ka wollte so viel sagen, er öffnete seinen Schnabel — aber er krächzte nur matt. Seine Brust hob und senkte sich heftig.
    Löwe betrachtete ihn besorgt. Er brummte: »Eigentlich hatte ich mir ja eine Strafpredigt ausgedacht, weil du weggeflogen bist, ohne uns etwas zu sagen. Aber jetzt packt mich das Mitleid. O Ka, ist der Teufel hinter dir her? Was hast du erlebt?«
    Ka machte seinen Schnabel noch einmal auf. Er rief: »Der Sul... der Sul...«
    »Was ist mit ihm?« fragte Pips erschrocken. Sie nahm den schweratmenden Vogel schützend in ihre beiden Hände.
    »Der Sultan... und das Kamel... im Zelt... beim Scheich... eine blaue Wolke... ohnmächtig... weggezerrt... verschwunden!«
    »Oh«, knurrte Wu, »das alles war mir von Anfang an unheimlich. Aber kannst du uns nichts Genaueres sagen, Ka?«
    Langsam kam Ka zu Kräften. Und dann erzählte er seine Geschichte einigermaßen zusammenhängend und klar. Alle schwiegen entsetzt. Sie fühlten sich wie vor den Kopf geschlagen.
    Löwe faßte sich zuerst. Er richtete seinen Oberkörper zu ganzer Größe auf und brüllte: »Los, Freunde, was zögern wir noch? Ein Boot! So schnell wie möglich nach dieser sogenannten Glücklichen Insel!«
    »Nein — warte!« sagte Kim. Er überlegte krampfhaft.
    »Wieso? Und worauf?«
    »Laß uns nachdenken, ehe wir einen Fehler machen.«
    »Es kann doch kein Fehler sein, dem Scheich sämtliche Knochen zu brechen!« grollte Löwe.
    »Ich glaube, der Scheich ist ein Zauberer!« sagte Ka. »Er hat den Sultan und das Kamel betäubt und verwandelt. Wahrscheinlich hat er es auch noch mit anderen unglücklichen Wesen so gemacht!«
    »Wüßten wir nur, warum der Sultan zu ihm gefahren ist und wer der Fremde war, der ihn vorher besucht hat«, fragte sich Pips. »Vielleicht könnte er uns helfen!«
    »O nein!« Löwe schüttelte seine Mähne. »Womöglich steckt er mit dem Scheich unter einer Decke.«
    »Sehr richtig! Wu! — Und auf keinem Fall würde ich die tausend Goldstücke zahlen, wenn ein Bote des Scheichs sie holen will. Denn der Sultan war gar nicht er selber, als er seine Unterschrift gab. Er war nicht zurechnungsfähig, wie man das nennt!«
    »Wir müssen die beiden sofort befreien!« rief Löwe noch einmal ungeduldig.
    »Das ist nicht so einfach«, meinte Ka. »Was machen wir denn, wenn der Scheich den Sultan so völlig verzaubert und in seiner Gewalt hat, daß er gar nicht mehr weg will? Eben, weil es nicht mehr der Sultan ist, wie wir ihn kennen, sondern ein neues, anderes Wesen...«
    »Unsinn!« brummte Löwe.
    »Leider nicht!« sagte Wu bekümmert. »Ich weiß es von Dok. In seiner Praxis sehe ich manchmal schlimme Dinge. Ein tollwütiger Hund, zum Beispiel, ist immer noch der gleiche Hund, wie vor seiner Erkrankung. Trotzdem ist er nicht wiederzuerkennen, er kann selber nichts dafür... Und niemand kann ihm helfen, man muß ihn töten, damit er keinen anderen ansteckt!«
    Löwe wollte zwar den Sultan nicht mit einem tollwütigen Hund vergleichen lassen — aber es war so oder so schlimm genug. Auf Pips hatte die Erwähnung von Dok elektrisierend gewirkt. Sie umarmte ihren kleinen Hund und rief: »Natürlich — danke Wu, daß du daran gedacht hast! Wir müssen Dok bitten, zu uns zu kommen. Dok ist Arzt,
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