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Der dicke Löwe kommt zuletzt

Der dicke Löwe kommt zuletzt

Titel: Der dicke Löwe kommt zuletzt
Autoren: Max Kruse
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Atemzug, bis ich mir ein Gewand übergeworfen habe...«
    Bald tappte Abdulla aus seinem Haus. Er hatte sich in ein Tuch gewickelt und war barfuß.
    »Rasch!« rief Löwe. »Gib mir dein Boot!«
    »Gewiß doch, o gewiß doch!« antwortete Abdulla. Er schusselte zum Hafen, hüpfte mit seinen nackten Sohlen über den spitzen Kies, das Tuch schlug um seine Beine. Schnell war er bei seinem Boot, flink sprang er auf die Planken. Hier aber drehte er sich plötzlich zu Löwe um und fragte: »Aber womit soll ich in der Morgendämmerung ausfahren, um Fische zu fangen. Das Fischen ist mein einziger Verdienst, und das Boot ist mein einziger Besitz!«
    »Sorge dich nur nicht!« beruhigte ihn Löwe. »Du brauchst morgen nicht auszufahren und übermorgen auch nicht. Du kannst dir ein neues Boot kaufen, schöner und besser als dieses. Morgen früh gehst du in den Palast. Sage meinen Freunden, ich sei vorausgefahren, um denen zu helfen, die wir alle lieben. Und sag ihnen, der Haushofmeister soll dir fünfzig Goldstücke auszahlen!«
    »Fünfzig Goldstücke? O Allah — ein Vermögen! Wird man mir aber auch glauben, großmütiger Löwenpräsident, wenn ich eine so hohe Summe fordere? Ich bin nur ein Sandkorn, ein nichtswürdiger Fischer... Werde ich überhaupt vorgelassen?«
    »Bei uns wird jeder angehört!« wies ihn Löwe zurecht. »Immerhin — immerhin, Abdulla, ich werde dir ein Zeichen mitgeben. An meinem Hals, unter der Mähne, trage ich ein weißes Taschentuch — nun ja, vielleicht ist es inzwischen nicht mehr ganz weiß — , nimm es und bringe es dem Mädchen Pips! Und so wahr ich hier vor dir stehe, wirst du bekommen, was ich dir versprochen habe!«
    Die Aussicht auf so viele Goldstücke schien den Fischer Abdulla zu beseligen. Er lächelte so froh, daß seine weißen Zähne im Mondlicht schimmerten. Er näherte sich Löwe — blieb aber dann stocksteif in gemessener Entfernung vor ihm stehen.
    »Was ist?« brummte Löwe.
    »Es ist nur... o zürne mir nicht... ich habe noch nie das Haupt eines Löwen berührt... ein so königliches Haupt... und mit so scharfen Zähnen!«
    »Du hast Angst? Ich tu dir bestimmt nichts. Beeile dich, ich muß fort. Der Wind frischt auf, mach schnell, sonst wird es zu spät, zu spät für mich und zu spät für deine Goldstücke!«
    Abdulla faßte Mut. Zögernd setzte er einen Fuß vor den anderen. Mit weit ausgestrecktem Arm schob er seine Hand unter die Löwenmähne.
    »O Himmel!« brummte Löwe. »Du zitterst so, daß du mich kitzelst! Hast du das Taschentuch noch nicht?«
    »Doch, hie-hie-hier ist es, i-i-ich ha-habe es!«
    »Bewahre es gut. Und nun zieh die Segel auf!«
    Abdulla steckte das Tuch unter sein Gewand. Flink setzte er die Segel. Flink sprang er von Bord, während Löwe das Steuer packte und das Tau des Segels zwischen die Zähne nahm. Abdulla löste die Kette. Erst langsam, dann immer rascher trieb Löwe aus dem Hafen, aufs offene Meer.
    Leise schmatzten die Wellen am Bug. Die See war ruhig, Löwe lehnte sich zufrieden zurück. Genau wie ich, dachte er, hätte auch der Sultan an meiner Stelle gehandelt. Und er dachte noch, was für einen Unsinn Wu zu Hause geschwatzt hatte. Konnte der Sultan so verändert sein, daß er die Glückliche Insel nicht mehr verlassen wollte? Unmöglich! Löwe wußte es besser. Mich selbst, schloß er messerscharf, kann ja auch nie irgend etwas davon abhalten, dem Sultan beizustehen.
    Er irrte sich!

Eine Botschaft

    »Guten Morgen!« krähte Ka. Er erwachte früh, denn er hatte Reisefieber. Da er tief geschlafen hatte, fühlte er sich gestärkt für den großen Flug.
    Pips schlug die Augen auf. Sie blinzelte der Sonne entgegen, die durch das bogenförmige Fenster auf ihr Bett strahlte und goldene Muster darauf malte. »Guten Morgen, Ka, guten Morgen, Löwe, guten Morgen, Kim, guten Morgen, Wu!«
    »Wu«, kläffte Wu. »Warum wünschst du mir zuletzt guten Morgen! Womit habe ich das verdient?« Er sprang vom Bett und schüttelte sich. Dann kratzte er sich mit der Hinterpfote am Ohr. »Sowieso hättest du das >Guten Morgen, Löwe< noch etwas aufheben können. Der verehrte Polizeipräsident scheint sich bereits aus dem Staub gemacht zu haben, um durch den Basar zu bummeln und sich am bunten Leben zu erfreuen. Er nennt das arbeiten, aber er sitzt wohl irgendwo gemütlich neben einem alten Sultanier und läßt sich den neusten Klatsch erzählen. Komisch, daß er nie daran denkt, mich mitzunehmen! Warum bin ich wohl hierhergefahren?«
    »Wie kannst du jetzt
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