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Der dicke Löwe kommt zuletzt

Der dicke Löwe kommt zuletzt

Titel: Der dicke Löwe kommt zuletzt
Autoren: Max Kruse
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Besuch!

    Welch ein Tag! Ein Tag, wie ihn das von farbigem Leben überschäumende Sultanien nur selten erlebt hatte. Nicht daß die Sonne vom blauen Himmel lachte, war so ungewöhnlich, nicht daß die Blumen in allen Gärten blühten und dufteten — das war hier immer und immer wieder so!
    Nein, die Freude kam aus den Herzen! Sie waren erfüllt von dem Glück, geliebte Freunde nach langer Zeit endlich wieder in die Arme schließen zu können!
    Kim, Pips und Wu hatten Ferien und waren vom Sultan eingeladen worden. Gerne wäre auch Ra, der hilfreiche Rabe, mit ihnen gereist, aber er mußte in der kleinen Stadt Neulöwenburg bleiben: Einmal, weil er die südliche Hitze so schlecht vertrug, vor allem aber, weil er Rabenbabys bekommen hatte, die gerade ihre ersten ungeschickten Flugversuche machten, und da konnte der treue Vater unmöglich wegfahren.
    »Kinder«, hatte sein Freund Wu, der Hund, vor der Abreise zu ihm gesagt, »Kinder sind ja sehr nett, aber als Gepäck sind sie vollkommen ungeeignet!«
    Und Ra konnte dazu nur weise nicken, denn Wu hatte wieder einmal den Nagel auf den Kopf getroffen!
    Ra blieb also in Neulöwenburg, und Dok schaute ihm aus der Tierpraxis oft belustigt zu, wenn der schwarze Vogel seine Rabenmätze ausführte, vom Nest in der Mauer des alten Stadtturmes zum Telegrafendraht und zurück. Auch Totokatapi beobachtete ihn aus dem Büro des Gebäudes, über dessen Eingangspforte »Totokatapis Kaufhaus« stand.
    Und um niemanden zu vergessen, sei berichtet, daß der bernsteingelbe Kater Schipp schon seit einiger Zeit auf der Leuchtturminsel war. Die meckernde Ziege Zie hatte sich Gesellschaft gewünscht. Nur eigentlich nicht gerade ihn. Aber er war trotzdem gekommen. »Ph«, hatte er gesagt, »soll sich die alte Zie ruhig ein bißchen ärgern, das kann ihr nur guttun!«
    Kim und Pips also reisten nach Sultanien. Wu lag auf dem Deck des Dampfers und hechelte. Unter einem Rettungsboot war wenigstens etwas Schatten. Die Geschwister lehnten an der Reling und schauten nach der Küste Sultaniens aus, die sich bereits dunkelblau am Horizont abzeichnete. Die See war ruhig, das Wasser am Bug des Schiffes schäumte weiß, sie machten gute Fahrt. Kim stützte die Arme mit den Ellenbogen auf das Geländer und blickte durch ein Fernglas, das ihnen Totokatapi vor der Abfahrt geschenkt hatte.

    Pips stupste ihn ungeduldig. Ihre blonden Haare flatterten vergnügt im Fahrtwind: »Was siehst du? — Die Stadt, die Häuser, den Hafen...?«
    »Wenn du mich schubst, sehe ich natürlich nichts...«, antwortete Kim. »Aber jetzt... hurra! Jetzt sehe ich die Einfahrt. Die Mole ist voller Menschen, es müssen Hunderte sein oder noch viel mehr. Sie tragen weiße Burnusse! Und des Sultans Leibwache ist angetreten, sie bildet ein Spalier. Die Krummschwerter blitzen. Vorne steht die Musikkapelle mit Pauken und Trompeten. Und viele Fahnen sind aufgezogen — mit der goldenen Mondsichel auf grünem Grund...«
    »Und der Sultan? Und Löwe?« Pips hüpfte vor Aufregung am Geländer auf und ab.
    »Herrlich!« rief Kim. »Da kommen sie. Sie gehen durch das Spalier der Leibwache, die Schwerter fliegen hoch, es sieht aus wie ein silberglänzendes Dach. In der Mitte schreitet der Sultan, klein und rund, an seiner linken Seite das Kamel und an seiner rechten...«
    »Löwe, mein alter lieber Löwe!« Pips riß ihm ungeduldig das Fernglas aus der Hand. »Ja, er ist es wirklich! Nein, wie nett er aussieht!«
    »Hm«, knurrte Wu leise in sich hinein. »Fängt das schon wieder an! Sobald Löwen in Sichtweite sind, haben kleine Mädchen keine Augen mehr für struppige treue Hunde!« Er stand auf und trottete ans Geländer, um sich das Schauspiel der Einfahrt in den Hafen nicht entgehen zu lassen. Er liebte den würzigen Geruch, der ihm vom Land entgegenwehte.
    Pips jubelte weiter: »Seht mal, auf seinem Turban trägt der Sultan einen seltsamen bunten Schmuck! Er scheint aus Federn zu sein! Ich möchte wetten, daß ich ihn schon einmal gemalt habe... Aber wann?«
    Mit seiner wunderbaren feinen Nase schnupperte Wu in den Wind. »Wu«, bellte er, »wenn ich nicht zu unwürdig bin, etwas zu sagen: Ich weiß es zwar noch nicht genau, aber es riecht fast so... und ihr wißt, meine Nase trügt mich selten... Also ich glaube, daß dieser bunte Kopfschmuck ein Kakadu ist, und zwar kein ausgestopfter!«
    »Ka?« fragten Kim und Pips fröhlich.
    Er war es. Als das mächtige Schiff eine knappe Viertelstunde später im Hafen einlief, konnten sie sich
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