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Liebesschmarrn und Erdbeerblues: Roman (German Edition)

Liebesschmarrn und Erdbeerblues: Roman (German Edition)

Titel: Liebesschmarrn und Erdbeerblues: Roman (German Edition)
Autoren: Angelika Schwarzhuber
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Kapitel 1
    »Wenn du jetzt gehst …« Mehr hörte ich nicht mehr. Die Tür des Fahrstuhls schloss sich, und ich machte die Augen zu.
    Ich muss zu Claudia! Sofort!, dachte ich aufgeregt.
    »Lene? Geht’s dir nicht gut?«
    Erschrocken riss ich die Augen auf. Verdammt, ich hatte nicht mal bemerkt, dass noch jemand auf dem Weg zur Tiefgarage war. Dr. Heribert König. Mein Zahnarzt, seit ich denken kann. Er hatte seine Praxis gleich neben Michaels Kanzlei im vierten Stock.
    »O doch, doch … Mir geht’s prächtig, Herr Doktor.«
    Ein Blick in den Spiegel des Aufzugs, und mir war klar: Sollte Dr. König mir tatsächlich glauben, dann würde er in Zukunft ein Sexmonster in mir sehen. Im günstigsten Fall eine sehr aufgeschlossene junge Frau.
    Meine rotbraune Lockenmähne war wild zerzaust. Der rosa Lippenstift verschmiert und – o nein! Der farblich zum Lippenstift passende neue BH hing halb aus meiner Handtasche, in die ich ihn eilig gestopft hatte, bevor ich aus Michaels Büro geflüchtet war. Jetzt war es auch schon egal, dass ich die Bluse mit der Naht nach außen trug. Ich setzte mein breitestes Lächeln auf, um Dr. König von der Handtasche abzulenken. Schließlich war er immer sehr stolz auf meine prachtvollen Beißerchen, die er mit viel Draht von Zahnstellung »windschief« in ein Gebiss verwandelt hatte, für das jedes Model gestorben wäre. Puh. Es funktionierte. Dr. König sah nicht nach unten, bis der BH gänzlich in der Tasche verschwunden war. Bevor ich meine Haare so unauffällig wie möglich zurechtzupfen konnte, waren wir auch schon in der Tiefgarage angekommen.
    Erleichtert verabschiedete ich mich und trippelte in den todschicken, aber völlig unbequemen neuen Sandalen zu meinem Wagen. Im Rücken spürte ich Dr. Königs Blicke. Ob ich mich jemals wieder unbefangen auf seinen Behandlungsstuhl setzen konnte? Der Gedanke an die ungewisse Zukunft meines Gebisses wurde rasch von der Erinnerung an die Erlebnisse der vergangenen halben Stunde verdrängt. Alles war schrecklich! Ich musste dringend zu Claudia.
    Claudia Zanolla war meine beste Freundin. Wir arbeiteten für dieselbe Zeitung. Sie in der Lokalredaktion und ich in der Anzeigenannahme. Kennengelernt hatten wir uns auf den Tag genau am 13. Mai vor vier Jahren, als wir beide in der kleinen Kaffeeküche der Redaktion standen und jede einen Kuchen für die Kollegen anschnitt. Amüsiert stellten wir fest, dass wir Geburtstag hatten. Den fünfzigsten. Wenn wir ihre vierundzwanzig und meine sechsundzwanzig Lenze zusammenzählten. Da wir beide für den Abend nichts geplant hatten, verabredeten wir uns spontan ins Simone, eine kleine, aber feine Bar in den engen Gässchen der Passauer Altstadt, auf ein Glas Prosecco. Aus einem Gläschen wurden zwei Flaschen – für jede –, und wir hatten viel Spaß. Claudia ließ mich in diesem Zustand nicht mehr nach Hause fahren, und so verbrachte ich die Nacht auf dem grauen Ledersofa in ihrer Wohnung.
    Auf genau diesem Sofa saß Claudia jetzt und schaute mir geduldig zu, wie ich, unruhig wie ein Raubtier vor der Fütterung, barfuß auf und ab tigerte. Sie kannte mich gut genug, um abzuwarten, und nippte an einer Tasse Ingwerwasser. Die kleinen Figuren, die Claudia von ihren Reisen in aller Herren Länder mit nach Hause brachte und die nahezu jeden freien Zentimeter ihrer Wohnung belagerten, schienen mich zu beobachten. Als ob die stummen kleinen Zeugen unserer Frauengeschichten es nicht erwarten konnten, den neuesten Klatsch über mein Liebesleben zu hören. Eines der Eskimofigürchen auf dem Bücherregal schaute mich so ungeduldig an, dass ich mein Schweigen endlich brach.
    »Es ist was ziemlich schiefgelaufen!«
    »Wie hast du es diesmal vermasselt?« Claudia war nicht überrascht. Warum auch? Es war ja nichts Neues. Ich war praktisch eine Meisterin darin, etwas zu vermasseln. Dabei war es meistens gar nicht meine Schuld, wie ich fand. Und diesmal schon gar nicht. Aber ob sie das verstand? Ich wand mich innerlich.
    »Lene! Mach’s nicht so spannend!«
    »Also. Er hat gesagt …« Ich konnte nicht.
    »Was? Dass deine Oberschenkel zu dick sind?«
    »Nein!«, rief ich empört. Ich ging ja wohl nicht umsonst regelmäßig ins Fitnessstudio, seit ich mit Michi zusammen war, und hatte mir inzwischen fast fünf Kilos abgestrampelt. Meine Schenkel waren zwar nicht perfekt, aber zumindest alltagstauglich. Allerdings wirkten neben Claudias Gazellen-Beinen auch Normaloschenkel wie meine wie die eines grauen
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