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Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal
Autoren: Ephraim Kishon
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verstehen?«
    »Natürlich«, sagte Zev. »Sie halten das als ein Symbol dessen aufrecht, was ihre frommen Vorfahren in Rosinesco zu tun pflegten. Übrigens überwacht der Schächter nicht nur die Küche, er ist auch der Dorfschulmeister.«
    »Wieso weißt du das?«
    »Ich habe es mit der Tochter des Schuhflickers erörtert.«
    >Ich habe es erörtert? Er unterhält sich mit jemandem!< grübelte Dulnikker und hörte zu kauen auf, weil sein Mund voll des bitteren Speichels der Eifersucht war.
    »Zev!« sagte er heiser. »Diese lächerliche Situation kann so nicht weitergehen! Bitte setz dich sofort mit dem Ortsrat in Verbindung und finde heraus, wie die Situation eigentlich steht. Ich verlange ja keinen offiziellen Empfang für mich, aber es gibt Grenzen!«
    Zev rief den Wirt auf den Plan.
    »Herr Elifas, ich möchte mit den Leitern des Ortsrates sprechen.«
    »Was?« sagte Elifas erstaunt und blinzelte heftig. »So was gibt’s hier nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Weil einfach keiner da ist.«
    »Meine Herren«, sagte Dulnikker tadelnd zu ihm, »wir fragen Sie, wer die Angelegenheiten dieses Dorfes leitet!«
    »Malka!« rief Elifas. »Komm her, meine Liebe; sie reden schon wieder unverständlich.«
    Dulnikker führte das Gespräch mit bemerkenswerter Selbstbeherrschung, wiederholte seine Frage in Gegenwart der Frau und betonte deutlich jede Silbe.
    »Also, Madame, wer kümmert sich um die Dorfaffären?«
    »Wir haben keine solchen Affären.«
    »Heiliger Himmel!« brüllte Dulnikker. »Gibt es denn niemanden hier, der alles richtet, der zum Beispiel die Dorfbewohner informiert, wann, sagen wir, der Tnuva-Lastwagen fällig ist?«
    »Das richtet niemand im besonderen«, erwiderte Malka. »Der Barbier sagt es den Bauern beim Rasieren.«
    Noch am selben Abend ging Dulnikker zum Barbier. Um die Wahrheit zu sagen, angesichts der Tatsache, daß sein elektrischer Rasierapparat zuunterst im Schrank lag, rechtfertigte sein zwei Tage alter Bart seinen Entschluß. Der Barbierladen befand sich neben dem Wirtshaus, im Vorderteil des Hauses von Barbier Salman Hassidoff. Dulnikker war deprimiert, als er den Barbierladen betrat, obwohl sein
    Zahnweh wunderbarerweise in der Nacht vorher verschwunden war, als er entdeckt hatte, daß seine unteren Backenzähne links ja alle falsch waren.
    In dem kleinen Barbierladen drängten sich ungefähr ein Dutzend Bauern auf einigen Bänken zusammen und warteten in einem Schweigen, das üblicherweise nicht zu Barbierläden gehört. Der magere Schächter stand in einer Ecke des Ladens und betete in einem flüsternden Singsang, während sein hagerer Körper vor und zurück schwankte: Die wartenden Kunden bildeten sein Quorum. Der Staatsmann setzte sich ans Ende der letzten Bank, ohne auch nur irgendeine menschliche Reaktion hervorzurufen. Kurz darauf kam der breitschultrige Schuhflicker herein - Dulnikker bemerkte zum erstenmal, daß er hinkte - und sagte zum Barbier:
    »Zwei Schachteln Holznägel Nr. 3.«
    Der Barbier, klein, untersetzt und völlig kahl, gab mit einem Nicken zu verstehen, daß er gehört hatte, und schrieb etwas in ein dickes Notizbuch. Der Schuhflicker nickte und setzte sich wortlos neben Dulnikker. >Und wenn du dich auf den Kopf stellst, ich sag kein Wort zu dir!< sprach der Staatsmann stumm seine Verurteilung aus, weil er dem Kerl sein aufrührerisches Benehmen nicht vergessen konnte.
    »Mein Freund«, wandte er sich an den Schuhflicker, »sind Sie der Dorfschuster?«
    »Ja.«
    »Warum haben Sie dann, wenn ich fragen darf, ausgerechnet den Barbier um Holznägel gebeten?«
    »Für Reparaturen.«
    Wieder senkte sich das drückende Schweigen über die gewandten Sprecher, und Dulnikker konnte in jedem Glied spüren, wie sein Blutdruck hemmungslos stieg und stieg. Plötzlich stand der Staatsmann auf und überraschte die Bauern mit der Bitte, ihn vorzulassen, weil ihm schwindlig sei. Sie waren alle, etwas verblüfft, einverstanden, und der Staatsmann setzte sich vor den erblindeten und verzerrenden Spiegel über dem schaumgefüllten Becken.
    »Rasieren? Haarschneiden?« fragte der Barbier.
    »Natürlich nur rasieren, mein Freund«, erwiderte Dulnikker und fuhr sich mit der Hand über die vereinzelten grauen Haarsträhnen auf dem Kopf. »Aber bitte, schleifen Sie Ihr Rasiermesser, weil ich einen harten Bart habe. Ehrlich gesagt, bin ich es gewöhnt, mich mit einem elektrischen Rasierapparat zu rasieren, daher könnte meine Gesichtshaut empfindlich auf ein Rasiermesser reagieren. Aber das
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