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Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal
Autoren: Ephraim Kishon
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unbedingt hierher kommen.«
    »Wer wollte unbedingt?« fuhr der Politiker auf. »Ich?«
    »Ja, Sie, Dulnikker!«
    »Nu - und wennschon?« brüllte Dulnikker, und sein Gesicht lief wieder rot an. »Habe ich mir nicht etwas Ruhe verdient?«
    »Etwas Ruhe?« höhnte Zev. »Stellen Sie sich vor, Dulnikker, was geschehen würde, wenn Sie, Gott behüte, in diesem grandiosen Kurort Zahnweh bekommen.«
    Sie waren kaum zwanzig Schritt weitergegangen, als Dulnikker einen immer stärkeren Schmerz in einem unteren Backenzahn verspürte, und sein Zorn auf seinen Sekretär war nun doppelt gerechtfertigt. Er hätte den Burschen schon längst im Stich gelassen, wenn er nur von irgendeinem anderen Menschen in der Gegend gewußt hätte, imstande und bereit, sich mit ihm zu unterhalten. Der Staatsmann hatte keine große Lust, in seinem Zimmer zu bleiben, schon deshalb nicht, weil ihm die Kinder mit den Wasserköpfen auf die Nerven gingen. Dulnikkers Verhältnis zu Kindern war immer schon sehr kühl gewesen. Seine Frau war nicht mit Nachkommen gesegnet worden, und der Politiker hatte sich seinerzeit fast mit einem Gefühl der Erleichterung dringenderen Angelegenheiten zugewandt. Die Zwillinge schienen ihn jedoch für einen Gegenstand immerwährenden Interesses zu halten, und vom ersten Augenblick an ließen sie ihn nicht aus den Augen. Dulnikker merkte deutlich, daß er früher oder später mit ihnen ins Gespräch würde kommen müssen.
    »Wie heißt ihr denn, meine Jungen?« fragte er sie am zweiten Tag seiner Wanderung durch das Dorf.
    »Majdud!« erwiderte der eine.
    »Hajdud!« erwiderte der andere.
    Dulnikker hatte keine Ahnung, wie das Gespräch fortsetzen. Er war imstande, Jugendlichen aller Arten und politischer Bewegungen stundenlang Vorträge zu halten, aber die Kunst, mit Kindern zu reden, hatte er noch nicht gemeistert.
    »Ihr seid einander ähnlich«, stellte er schließlich mit äußerst begrenzter Einfallskraft fest. Die kleinen Lümmel brachen in Gelächter aus.
    »Blödsinn. Hajdud ist ähnlicher«, erklärte Majdud. Sie kicherten wieder und rannten davon. Dulnikker schloß, daß sich die Unverschämtheit der Kinder auf die Meinung der älteren Generation gründete, obwohl die Dörfler keinerlei Interesse an ihm zeigten. Wenn die Leute auf der Straße an dem Staatsmann vorbeigingen, taten sie es, ohne mit der Wimper zu zucken. Der Staatsmann hatte in jenen mißlichen Tagen das Gefühl, als sei ihm die Kehle zugestöpselt worden.
    In der zweiten Nacht konnte er sich nicht länger zurückhalten. Nachdem sich der riesige Kuhhirte geräuschvoll auf sein Bett hatte fallen lassen, raffte Dulnikker seinen Mut zusammen und sprach seinen Zimmergenossen an:
    »Entschuldige, Mischa, daß ich dich zu so später Stunde störe, da du bestimmt erschöpft bist, aber vielleicht könntest du mir sagen, ob ihr die Kühe kollektiv melkt oder jeder Farmer seine Kühe persönlich melkt?«
    »Wer?« fragte Mischa. Diese prompte, wenn auch etwas unklare Antwort ermutigte den Staatsmann, weiterzureden, um an den Kern der Sache heranzukommen. Das laute Schnarchen des Kuhhirten setzte jedoch seinen Hoffnungen ein Ende. »Primitiver Esel«, zischte Dulnikker in die bedrückende Dunkelheit und versuchte, ein bißchen zu sich selbst zu sprechen. Aber bald war er gezwungen aufzuhören, weil er entdeckte, daß er es nicht aushielt, sich zuzuhören.
    Dulnikker und sein Sekretär saßen bei einem nahrhaften Frühstück im Eßzimmer des Wirtshauses. Die Qualität der Nahrung befriedigte beide; sie beanstandeten einzig, daß Malka mit zuviel Kümmel kochte. Auch waren sie durch das an sie gerichtete Ersuchen leicht verstört, mit dem Wasser zu sparen, da dieser Gebrauchsartikel wegen der großen Höhenlage nur in beschränkter Menge in das Dorf gepumpt wurde.
    Ein junger, ausgemergelter Bursche in Schwarz mit einem schütteren Bart tauchte oft in der Küche auf und spähte in die Töpfe und Pfannen. Dulnikker fragte den dicken Elifas, was da vor sich gehe, und erhielt hierauf die Auskunft, daß der Ausgemergelte der Dorfschächter sei, der die Küche persönlich überwache.
    »Heißt das, daß Sie koscher kochen?« fragte Dulnikker.
    »Nein«, erwiderte der Wirt, »warum sollte es koscher sein?«
    »Aber warum«, fragte Dulnikker hartnäckig, »warum muß dann die Küche vom Schächter überwacht werden?«
    »Weil kein Rabbi in ein so kleines Dorf käme.«
    »Ich werde noch verrückt in diesem Loch«, sagte Dulnikker zu seinem Sekretär. »Kannst du das
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