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Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal
Autoren: Ephraim Kishon
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schwieg, wohl wissend, daß zu solchen Zeiten auch nur ein einziges übereiltes Wort alles verderben konnte. In bester Laune - am Horizont winkte die Freiheit - packten sie miteinander Dulnikkers Habe zusammen. Dann hüpfte Zev eilig die Treppe hinunter, um mit Elifas abzurechnen. Ehrlich gesagt, verriet der Wirt unverkennbare Zeichen der Erleichterung, als er den Sekretär ihre Abreise verkünden hörte.
    »Großartig«, sagte er. »Alles Gute Ihnen, Herr Krankenwärter.«
    Der Sekretär hielt sich nicht lange mit Verabschiedungen auf, sondern erkundigte sich ungeduldig, wo man im Dorf telefonieren könne.
    »Telefonieren?« Elifas begann wieder zu blinzeln. »Was meinen Sie damit?«
    Zev erbleichte auf der Stelle. In ihrer großen Freude, trunken vor Abschiedswonne, hatten sie offensichtlich ein paar Kleinigkeiten übersehen.
    »Wie kann ich einen Brief von hier absenden?« fragte Zev zögernd. Elifas klärte die Sache auf, daß sie seit nunmehr fast zwanzig Jahren keine postalische Verbindung mehr mit der Außenwelt hatten. Vorher war immer zweimal im Jahr jemand nach Safad gefahren, um die Post von draußen abzuholen, aber schließlich hatten sie diese überflüssige Dienstleistung aufgelassen.
    »Danke«, flüsterte der Sekretär und schleppte sich schwer die Treppe hinauf.
    In der folgenden Nacht schlüpfte Dulnikker um halb zwei aus dem Bett, in das er sich angezogen gelegt hatte, und ging auf Fußspitzen auf die Straße hinunter. Sein Sekretär erwartete ihn bereits hinter einer Linde versteckt. Beide waren - unter emotionalem Druck - so gespannt und aufgeregt, daß sie einander feierlich die Hand drückten, etwas, das sie noch nie getan hatten.
    »Gehen Sie zurück, Dulnikker«, flüsterte Zev, »ich kümmere mich selbst darum.«
    »Nicht daran zu denken«, erwiderte der Staatsmann. »Ich will sichergehen, daß alles laut Plan klappt.«
    Beim Vollmondschein - wie das bei solchen Vorgängen üblich ist - huschten sie von Baum zu Baum bis zum Rand des Dorfes. Bevor sie jedoch die letzten Häuser hinter sich gelassen hatten, brach zorniges Gebell los, und zwei Dorfhunde schlossen sich ihnen an. Dulnikker konnte Hunde nie ausstehen, besonders seit dem Vorjahr, als ihn der Terrier des persischen Delegierten bei der Asiatischen Landwirtschaftskonferenz gebissen hatte. Jetzt, mitten in der Nacht, war er einfach wütend. Er begann die bellenden Kreaturen mit Rasenstücken zu bewerfen und verfluchte sie in den abscheulichsten Ausdrücken, bis die lärmenden Tiere am Ende des Dorfes umkehrten und mit eingezogenem Schwanz zu ihren Häusern zurückzogen.
    »Immer muß ich alles selber machen!« sagte Dulnikker vorwurfsvoll zu seinem Sekretär. Als sie zum Lagerhaus kamen, atmeten sie freier. Die Tauben schliefen friedlich in ihrem Taubenschlag und plusterten sich im Schlaf gelegentlich mit einem freundlichen Gurren auf. Dulnikker zog den Zettel aus der Tasche und las ihn noch einmal durch:
    Hilfe! Sendet sofort Wagen. Es geht auf Tod und Leben!
    Amitz Dulnikker
    »Soll ich hinzufügen, daß auch Reporter mitkommen sollen?« fragte er Zev, der bereits langsam die Leiter emporkletterte.
    Zev brachte ihn nervös zum Schweigen, indem er sagte, Reporter würden ohnehin kommen. Dulnikker starrte liebevoll die hübschen Tauben an, in denen er die Boten der Erlösung aus der Falle namens >Kimmelquell< erblickte. Inzwischen öffnete sein Sekretär das Türchen des Taubenschlags, fing mit zitternder Hand eine der Tauben und zog sie heraus. Der überraschte Vogel begann mit den Flügeln zu schlagen, und der Sekretär purzelte fast von der Leiter. Er brachte die Taube dem Staatsmann hinunter, sie banden ihr den Zettel ans Bein und ließen sie los.
    »Kleines Vögelchen, Vögelchen!« flüsterte der Sekretär und warf den Vogel in die Luft. Aber die treue Taube kehrte auf seine Schulter zurück. Dulnikker, der vor Aufregung fast platzte, brach einen dünnen Zweig von einer Hecke und versuchte mit ihm, den goldigen Vogel wegzuscheuchen.
    »Flieg, Vögelchen, flieg! Wenn nicht, bring’ ich dich um!« drohte er der Taube und fuchtelte ihr mit seinem Zweig vor dem Schnabel herum, bis schließlich der Lagerhauswächter durch die seltsamen Geräusche geweckt wurde und aus seiner Wohnung im Hinterhaus herauskam.
    »Was geht hier vor?« schrie er, während er seine Hose festband.
    Sein plötzliches Auftauchen änderte das Gleichgewicht der Kräfte völlig. Die erschrockene Taube stieg auf und verschwand in der Finsternis, während sich die
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