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Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal
Autoren: Ephraim Kishon
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Bemerkung über das lärmende Malmen des Staatsmannes.
    Genauso wie sie auch sonst keine Notiz von seiner Existenz nahmen.
    Auch Dulnikker war das nicht entgangen.
    »Ich wußte von vornherein, daß ich mein Inkognito nicht würde wahren können«, flüsterte er mitten im Essen seinem Sekretär zu. »Sie haben entdeckt, wer ich bin!«
    »Wieso wissen Sie das, Dulnikker?«
    »Ich habe Augen im Kopf, mein Freund, Sie respektieren mich so sehr, daß sie mich nicht einmal anzuschauen wagen«, erklärte der Staatsmann. »Das ist die höchste - und ich kann wohl sagen, übelste - Ebene des Respekts. Glaube mir, mein Freund, ich finde diesen Personenkult ekelerregend. Ich habe es gern, wenn sich die Leute in meiner Gegenwart frei und gleichberechtigt fühlen. Ich glaube daher, daß ich viel dazu beitragen könnte, die Atmosphäre aufzulockern, wenn ich ein paar Worte an die Leute richtete.«
    Zev fiel die Gabel aus der Hand. »Nein!« sagte er in panischer Angst. »Sagen Sie nur ja kein Wort, Dulnikker!«
    »Warum den nicht?« erwiderte der Staatsmann und erhob sich. Es war schon vier Tage her, seit er seine letzte Rede gehalten hatte, und jetzt strömten ihm plötzlich alle seine berühmten Energien wieder zu. Ein milder Schimmer leuchtete in Dulnikkers Augen, als er Glas und Stimme erhob:
    »Bürger von Kimmelquell! Meine Damen und Herren! Altansässige und Neueinwanderer! Zu Beginn möchte ich Ihnen meine tiefe Genugtuung über diesen rührenden Empfang zum Ausdruck bringen. Ich genieße die Hochachtung, die Sie mir bezeigt haben, aber ich suche sie nicht. Ich bin hergekommen, um mich auszuruhen, zu erholen - nicht, um an Festlichkeiten teilzunehmen. So fahrt denn fort, Genossen, in euren friedlichen täglichen Pflichten« (»Laß mich los«, flüsterte er seinem Sekretär zu, der ihn immer heftiger an der Jacke zupfte), »behandelt mich informell ...«
    Und da geschah es.
    Der Schuhflicker, ein ältlicher, verschlampter Witwer mit derben Kinnbacken, zerschmetterte das allgemeine überraschte Schweigen, indem er dem Redner mit tiefer Stimme zubrüllte: »Ruhe! Wir essen!«
    In Dulnikkers Brust erwachte der schlummernde Löwe der Knesset, und die Erwiderung des großen Redegewaltigen ließ nicht auf sich warten.
    »Ja, meine Freunde«, rief er mit erhobener Stimme, »Friede euren Herzen und Brot auf den Tisch! Das sind die Säulen der Welt des Werktätigen! ...«
    Hier aber fielen sämtliche Zuhörer zornig ein:
    »Hol dich der Teufel, halt endlich den Mund«, brüllte es aus allen vier Ecken des Saals. »Wer ist denn der? Wer hat denn den eingeladen?«
    Der Sekretär zerrte einen erschreckend blassen und nach Luft ringenden Dulnikker an die frische Luft.
    »Leider, Dulnikker«, keuchte er, »ob es Ihnen paßt oder nicht, aber in diesem Dorf bleiben Sie inkognito.«
    Anti-Farmpolitik
    Nach dem Vorfall in der >Dorfrunde< ließ sich zwischen den Dorfbewohnern und den beiden Männern fast keine Bande anknüpfen. Sie waren gezwungen, ihre Freizeit trotz ihrer Unerfahrenheit in Tatenlosigkeit in Zweisamkeit zu verbringen.
    »Mein Freund«, platzte Dulnikker heraus, als er mit seinem Sekretär die Dorfstraße auf und ab schlenderte, »das ist ja nicht einmal ein Dorf; es ist ein übelriechendes Loch! Nicht nur, daß diese Leute Hunderte von Jahren hinter der Zivilisation zurückgeblieben sind, sondern schlimmer: Sie sind auch geistig schrecklich unterentwickelt.«
    Der Sekretär bohrte mit den Schuhen im Kies der Straße.
    »Ich spreche zu dir, Freund Zev! Warum bist du geistesabwesend?«
    »Ich hab’ letzte Nacht kein Auge zugemacht, Dulnikker. Die ganze Nacht haben die Hunde gebellt und die Grillen gezirpt, und selbst die Hähne fangen in diesem Dorf schon um Mitternacht zu krähen an.«
    »Das ist doch nichts im Vergleich zu dem, was ich gelitten habe, mein Freund. Mein Zimmer wimmelt von Mäusen, während die Katzen auf dem Dach im Chor jaulen. Als ich endlich einschlief, nachdem ich zwei Schlaftabletten genommen hatte, wachte ich plötzlich auf und entdeckte, daß mich jemand rüttelte, weil ich - sagte er - laut schnarche. Da entdeckte ich, daß in meinem Zimmer noch jemand wohnt und in dem anderen Bett schläft. Dieser Zimmergenosse ist niemand anderer als der Dorfhirte und schwachsinnige
    Verwandte meines Hauswirtes. Genossen, habt ihr schon je von einer solchen Frechheit gehört?«
    »Hören Sie, Dulnikker, ich habe Sie rechtzeitig gewarnt, Sie sollten lieber auf zwei Monate in die Schweiz fahren. Aber Sie wollten ja
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