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Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)

Titel: Das Gift des Sommers: Thriller (German Edition)
Autoren: Erin Kelly
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PROLOG
    I ch lasse das Telefon aus der Hand fallen. Zuerst lähmt mich die Panik, dann belebt sie mich wieder. In meinen Fingerspitzen kribbelt es, als ich auf dem Couchtisch umhertaste und erst meine Autoschlüssel und schließlich mein Handy packe. Es ist, als hätte ich vier Arme und vier Beine, während ich versuche, mich im Dunkeln anzuziehen; ich streife meine Jacke über und steige in ein Paar übergroße Lammfellstiefel, die ich normalerweise als Pantoffeln trage. An der Tür zögere ich eine Sekunde, dann stürze ich noch einmal zurück zu meinem Schreibtisch und wühle in der Schublade nach meinem Pass und einer Kreditkarte, die ich für Notfälle dort aufbewahre. Lautlos ziehe ich die Tür hinter mir zu, aber in meinen Ohren rauscht das Blut. Mit zitternden Händen drehe ich den Schlüssel zweimal im Schloss: um jemanden einzusperren oder um jemanden draußen zu halten, kann ich noch nicht wissen.
    Draußen gehe ich wie auf rohen Eiern, aber etwas knackt und schmatzt unter meiner Sohle, als ich eine Schnecke zerquetsche. Am Gartentor trete ich in eine Pfütze, und kaltes Wasser dringt durch das weiche Wildleder meiner Schuhe und leckt unangenehm an meinen nackten Zehen.
    Im dunklen Innenraum des Wagens starte ich den Motor und ziehe den Kopf zwischen die Schultern, als die Lüftung mir eiskalt entgegenbläst und die Wattewölkchen meines Atems vertreibt. Meine Hände sind so kalt, dass sie sich nass anfühlen; erleichtert finde ich ein Paar Wollhandschuhe zusammengeknüllt in meiner linken Tasche. Bevor ich sie anziehe, vernichte ich mit meinem Handy die Spur des letzten Anrufs. Ich rufe den Apparat im Haus an, warte auf das Klicken der Verbindung und trenne sie, bevor es klingeln kann. Die Windschutzscheibe ist beschlagen, und ich habe keine Zeit zu warten, bis die Heizung das Glas von der Feuchtigkeit befreit. Ich wische ein Bullauge in das Beifahrerfenster und spähe zurück in die dunkle Nische des Schlafzimmerfensters. Wenn er mich gehört hätte, würde dort jetzt Licht brennen. Seine Silhouette wäre im Fenster zu sehen, und sein Mund würde meinen Namen formen. Würde mich das aufhalten? Würde irgendetwas mich aufhalten?
    Der Wagen steht mit der Front zur Vorderseite des Hauses. Wenn ich die Scheinwerfer einschalte, werden sie ins Fenster leuchten; also lasse ich das Licht aus und rolle mit nur handgroß klar gewischten Stellen in den Scheiben auf die Straße hinaus. Erst als ich mich ans Ende unserer Straße getastet habe, blende ich das Fahrlicht auf. Die Landschaft ist bereift und kahl. Unbelaubte Hecken werfen gespenstische Schatten auf die schmale Straße vor mir, und auf den hohen Böschungen ragen Umrisse in Menschengestalt. Die Toten, die Verschwundenen und die Vermissten umgeben mich jetzt, Geister, die zu bedrohlichen Gespenstern geworden sind. Ich habe Angst, mich umzusehen. Sie verfolgen mich, und ich fahre aggressiv, selbstmörderisch, und gerate auf das Grasbankett, da ich viel zu schnell durch eine unübersichtliche Kurve steuere. Der Sicherheitsgurt beißt in die Haut zwischen meinen Brüsten, als ich hart bremse, um nicht auf den Lastwagen aufzufahren, der plötzlich vor mir auftaucht. Es ist ein dreckiger Wagen von unbestimmbarer Farbe. Werkzeug liegt lose auf der Ladefläche herum, und er fährt so langsam, dass der Fahrer betrunken sein muss. Mir bleibt nichts anderes übrig, als im Schneckentempo hinter ihm herzufahren.
    Ich sollte diese Zwangspause nutzen, um mir ein paar Gedanken zu machen. Aber die Situation lässt das nicht zu. Ich fahre allein, in Pyjama und feucht durchnässten Stiefeln, mitten in der Nacht auf einer Landstraße. Niemand weiß, wo und warum ich unterwegs bin, und indem ich in meinem eigenen Haus angerufen und damit die Nummer des vorigen Anrufers gelöscht habe, habe ich den einzigen Hinweis getilgt, den ich hätte hinterlassen können. Ich hatte nur an die anderen gedacht, aber zum ersten Mal kommt mir der Gedanke, dass ich selbst in Gefahr kommen könnte, wenn ich weitermache.
    Auf dem Tacho sehe ich, dass wir uns mit vier Meilen pro Stunde voranbewegen. Ich hupe und blinke, aber an dem kalten blauen Schimmer in der Fahrerkabine erkenne ich, dass er telefoniert. Ich rufe mir die Straße vor uns ins Gedächtnis. Ich bin so oft auf ihr gefahren, dass ich jedes Schlagloch, jede Welle, jede Delle kenne. Ich hole tief Luft, schalte, dass das Getriebe kracht, und schieße auf den Überholstreifen. Der Fahrer des schwarzen Wagens, der mir entgegenkommt, hatte
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