Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lotte, Motte und ich

Lotte, Motte und ich

Titel: Lotte, Motte und ich
Autoren: Meike Haas
Vom Netzwerk:
1
Tinka Blomquist
    Als ich Lotte und Motte kennenlernte, war ich noch acht Jahre alt und wollte unbedingt Detektivin werden. Ich hatte ein Fernglas, damit schaute ich in andere Wohnungen hinein, und wenn ich dann jemanden sah, der sich zum Beispiel die Zähne putzte, trug ich in mein Notizbuch ein: Mann putzt sich die Zähne. Leider habe ich nie jemanden gesehen, der gerade etwas klaute, sonst hätte ich die Polizei gerufen und wäre eine Heldin gewesen.
    Meine Mutter nannte mich damals Tinka Blomquist, weil es einen berühmten Meisterdetektiv namens Blomquist gibt. In Wirklichkeit heiße ich aber Tinka Talbach. Ich bin nicht mehr acht, also fast nicht mehr. In einer Stunde und 53 Minuten werde ich neun Jahre alt und Detektivin will ich auch nicht mehr werden. Weil ich nämlich einmal berühmt sein will und Interviews gebenmöchte. Als Detektivin geht das nicht. Wenn eine Detektivin im Fernsehen auftritt, dann wissen nachher alle Einbrecher, wie sie aussieht. Also werde ich vielleicht besser Akrobatin. Das ist sowieso besser, weil Motte Zauberin werden will und Lotte Dompteurin, dann können wir einen Zirkus gründen. Und dann werden wir bestimmt alle zusammen interviewt.
    Aber damals, als ich die beiden kennenlernte, hatte ich mir das noch nicht genau genug überlegt und wollte Detektivin werden.
    Es war so: Mama und ich zogen um. Und Olov auch. Also, Mama und ich zogen mit Olov in dieselbe Wohnung, weil Olov jetzt Mamas Freund war und sie ein Baby bekommen würden. Mit einem riesigen Lastwagen kamen wir drei in der Sommerstraße 21 bei unserem neuen Haus an. Das heißt, das Haus war überhaupt nicht neu, sondern sehr alt. Nur für uns war es eben neu. Außerdem war es nicht unser Haus, sondern wir hatten die Wohnung im dritten Stock gemietet.
    Ich saß in der Fahrerkabine des Lastwagens, hoch über der Straße, das war toll. Olov fuhr ganz langsam und ich streckte meinen Kopf aus dem offenen Fenster und schaute durchs Fernglas auf die Dächer der parkendenAutos. Ich hätte auch gerne mal draufgespuckt, aber Mama saß neben mir.
    Als der Lastwagen hielt, sprang ich sofort heraus, um alles wie eine echte Detektivin zu erkunden. Ich suchte nach Hinweisen auf Kinder. Besser gesagt: auf achtjährige Kinder, ich war ja selber noch acht. Oder noch besser gesagt: auf achtjährige Mädchen. Schließlich musste ich eine neue Freundin finden. Das ist das Wichtigste bei einem Umzug.
    Leider steckten die Lupe, die Taschenlampe und mein Diktiergerät noch in irgendeiner Umzugskiste. Aber das Fernglas baumelte wie immer um meinen Hals und das Notizbuch steckte in meiner Hosentasche. Mama und Olov und zwei Freunde von Olov begannen, die Kisten auszuladen. Olov stand auf der Rampe wie der große Chef, seine Augenbrauen zeigten struppig in alle Richtungen. Sie sind so lang, dass man sie kämmen kann. Ehrlich.
    Olov sagte zu Mama, dass Schwangere keine schweren Kisten tragen dürfen. Zu mir sagte er, dass Kinder nicht im Weg herumstehen dürfen. Dabei lachte er, damit ich dachte, es sei witzig gemeint. Aber das glaubte ich ihm nicht.
    Egal. Ich wollte ja sowieso nicht Kisten schleppen,sondern gleich mit den Ermittlungen anfangen. Ich rannte also hoch in die leere Wohnung. Das war richtig aufregend. So ganz allein in den leeren Zimmern.
    Wenn ich daran denke, kann ich mir gar nicht vorstellen, dass es dieselbe Wohnung ist, in der ich jetzt gerade sitze. Jetzt ist nämlich alles sehr eng und gemütlich. Im Wohnzimmer steht ein großes Sofa mit Kissen und ein ganz volles Regal mit Büchern und auf dem Boden liegt auch oft was. In der Küche steht der Esstisch, und wenn man aufsteht, muss man aufpassen, dass die Stuhllehne nicht an das Küchenbuffet schrappt. In Mamas und Olovs Schlafzimmer ist zwischen Bett und Wand eine Wiege gequetscht. Nur im Gästezimmer, das mal das zweite Kinderzimmer werden soll, stapeln sich noch immer Umzugskisten.

    Auch mein Zimmer ist voll und gemütlich. Ich habe ein Hochbett und darunter ein Lager, bei dem man den Vorhang zuziehen kann. Das habe ich gerade getan. Hier sitze ich nämlich und schreibe. Heimlich. Es ist schwierig, weil ich mit der einen Hand die Taschenlampe halten muss und mit der anderen den Stift. Es ist Nacht, Viertel nach zehn, und ich soll natürlich schlafen.
    Aber ich kann nicht. Weil ich morgen Geburtstag habe, also in einer Stunde und 45 Minuten, und weil Lotte und Motte zu mir zum Übernachten kommen, und das wird bestimmt das Schönste und Aufregendste, was ich bisher erlebt habe.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher