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Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Titel: Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten
Autoren: Ilona Andrews
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    1
    William trank einen Schluck Bier aus der Flasche Modelo Especial und starrte den Green Arrow unnachahmlich finster an. Aber das Stück bemaltes Plastik reagierte nicht auf die Herausforderung. Die Actionfigur stand weiter reglos an den Verandapfosten von Williams Haus gelehnt. Eigentlich mehr eine Hütte als ein Haus, dachte William, aber immerhin ein Dach über dem Kopf, und er war keiner, der groß rumjammerte.
    Von seinem Standpunkt aus hatte der Green Arrow einen großartigen Überblick über Williams auf der Veranda aufgestellte Armee aus Actionfiguren, und wenn der Bursche seine Meinung hätte kundtun wollen, wäre er dafür in einer geeigneten Position gewesen. William zuckte die Achseln. Ein Teil von ihm war sich darüber klar, dass seine Unterhaltung mit einer Actionfigur an Irrsinn grenzte, aber er hatte momentan niemanden, mit dem er reden konnte, musste sich jedoch unbedingt mal aussprechen. Er steckte bis zum Hals im Schlamassel.
    »Die Jungen haben geschrieben«, sagte er.
    Der Green Arrow sagte nichts.
    William blickte über ihn hinweg in den jenseits der Wiese raschelnden Wald. Zwei Meilen weiter würde sich der Wald in einfache Wälder aus schlichten Georgia-Kiefern und Eichen verwandeln. Hier jedoch, im Edge, ließ Magie die Bäume wuchern, und der Wald war alt. Der Tag war einem langen, trägen Sommerabend gewichen. Kleine, namenlose Krabbler, die es nur im Edge gab, jagten einander durch die Zweige der uralten Bäume, ehe die Dunkelheit die Raubtiere aus ihren Schlupfwinkeln lockte.
    Das Edge war ein seltsamer Ort zwischen zwei Welten. Auf der einen Seite lag das Broken, ohne Magie, dafür mit jeder Menge Technik. Und Regeln. Und Gesetzen. Und Papierkram. Diese verfluchte Gegend konnte ohne Papierkram nicht leben. Und im Broken arbeitete er derzeit, auf dem Bau.
    Auf der anderen Seite lag das genaue Gegenteil des Broken, das Weird, wo Magie herrschte und alte, adlige Familien das Sagen hatten. Er kam aus dieser Welt. Im Weird war er ein Ausgestoßener, ein Soldat, ein Sträfling, ein paar kurze Wochen lang sogar ein Edelmann gewesen. Und im Weird hatte man ihm einen Tritt in den Hintern nach dem anderen verpasst, bis er schließlich genug hatte und gegangen war.
    Das Edge gehörte zu keiner der beiden Welten. Der perfekte Ort für den Mann, der nirgends hinpasste. Dort hatte er auch die Jungen kennengelernt: George und Jack. Die beiden lebten mit ihrer Schwester Rose im Edge. Rose war nett und hübsch, er hatte sie gleich gemocht. Ihm hatte gefallen, was sie und die Kinder hatten, eine nette, kleine Familie. Wenn William sie zusammen sah, tat ihm etwas tief im Innern weh. Jetzt wusste er, warum: Er hatte sofort begriffen, dass er so eine Familie niemals haben würde.
    Trotzdem hatte er es weiter bei Rose versucht. Und vielleicht hätte er sogar eine Chance gehabt, aber dann war Declan aufgekreuzt. Declan, Blaublütiger und Soldat, mit seinen makellosen Manieren und seinem hübschen Gesicht. »Wir waren mal Kumpel«, teilte er dem Green Arrow mit. »Aber ich hab ihm alles aus dem Leib geprügelt, ehe er weg ist.«
    Allerdings war er der Angeschmierte, denn Declan hatte Rose und die Jungen mitgenommen. William ließ sie ziehen. Jack verlangte nach jeder Menge Aufmerksamkeit, und Declan würde sich gut um ihn kümmern. Und Rose brauchte jemanden wie Declan. Jemanden, der noch alle Tassen im Schrank hatte. Sie hatte mit den Jungen schon genug am Hals. Die Frau benötigte ganz sicher kein weiteres Wohltätigkeitsprojekt, und er wollte sich ihr nicht aufdrängen.
    Sie waren nun schon fast zwei Jahre fort. Seitdem lebte er im Edge, und das ständige Kribbeln der Magie sorgte dafür, dass er nicht einrostete. Er ging seiner Arbeit im Broken nach, saß am Wochenende vor der Glotze, trank viel Bier, sammelte Actionfiguren und tat die meiste Zeit so, als hätte es die ersten sechsundzwanzig Jahre seines Lebens gar nicht gegeben. Die Edger, also die paar Familien, die wie er zwischen den Welten lebten, blieben unter sich und ließen ihn in Ruhe.
    Die meisten Leute im Broken oder im Weird wussten gar nicht, dass die jeweils andere Welt überhaupt existierte, aber hin und wieder kamen Händler durch das Edge, die zwischen den Welten herumreisten. Vor drei Monaten hatte Nick, einer dieser Handlungsreisenden, erzählt, er sei gerade auf dem Sprung ins Weird, genauer in die Südprovinzen. William hatte darauf aus einer Laune heraus ein Päckchen Spielzeug zurechtgemacht und den Mann für die Auslieferung
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