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Der beste Tag meines Lebens

Der beste Tag meines Lebens

Titel: Der beste Tag meines Lebens
Autoren: Ashley Miller , Zack Stentz
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möchte von einem Problem erzählen.
    Es heißt »das Gefangenendilemma«, und es ist sehr interessant, weil es ein mathematisches Problem zum Thema »die Wahrheit sagen« darstellt. Dabei geht es nicht um echte Gefangene, sondern um hypothetische. »Hypothetisch« bedeutet, es ist ein logisches Konstrukt, ein Szenario, das einem helfen soll, das Problem zu skizzieren.
    Es lautet folgendermaßen: Zwei Kriminelle begehen gemeinsam einen Raubüberfall. Sie werden eingesperrt und verhört. Das Problem befasst sich mit ihren Aussagen und den Folgen der Information, die preiszugeben sie sich entschließen. Die Gefangenen können der Polizei gegenüber zwischen zwei Strategien wählen: Sie können miteinander »kooperieren« oder sich gegenseitig »verraten«. »Kooperieren« bedeutet, dass sie lügen, »verraten« bedeutet, die Wahrheit zu sagen.
    Ich denke, es wäre leichter, von »lügen« und »die Wahrheit sagen« zu sprechen, aber ich habe mir das Problem ja nicht ausgedacht.
    Wenn beide Gefangenen lügen, bekommen beide nur eine minimale Strafe. Wenn einer lügt, aber der andere die Wahrheit sagt, dann erhält der Lügner die Höchststrafe, während der andere ungeschoren davonkommt. Sagen beide die Wahrheit, bekommen beide eine minimale Strafe mit baldiger Bewährung.
    Das bedeutet also, es ist besser, die Wahrheit zu sagen – eine Lüge wird sich nie rentieren, und sie kann einen hohen Preis haben.
    ***
    Das Haus der Fischers war absolut durchschnittlich.
    In die nordwestliche Ecke des San Fernando Valley geschmiegt, ähnelte es mehr oder weniger jedem anderen Haus, das sich in die nordwestliche Ecke des San Fernando Valley schmiegte: zwei Stockwerke, eine beigefarbene Außenseite und ein Baustil, der die Assoziation »spanischer Kolonialstil« wecken sollte.
    Im Garten hinter dem Haus gab es allerdings etwas Einzigartiges: ein viel genutztes Trampolin, das für Colin gekauft worden war, nachdem sich herausgestellt hatte, dass ihm das Springen half, sich zu entspannen, zu konzentrieren und nachzudenken. Hier konnte er sich, beruhigt durch die Momente der Schwerelosigkeit, vorstellen, dass er von allen irdischen Zwängen befreit wäre. Auf und ab, auf und ab, auf und ab … oft stundenlang, und immer allein.
    Colin stand am Gartentor, den Blick auf das Trampolin gerichtet, mit am Kopf klebenden Haaren und triefenden Kleidern. Er hielt sein Notizbuch umklammert, das gnädigerweise von der unerwarteten und ungewollten Begegnung mit der Toilette verschont geblieben war. Einen Moment lang erwog er, sich der elastischen Umarmung des Trampolins zu überlassen – besann sich dann aber eines Besseren. Seine triefenden Sachen würden auch das Trampolin durchnässen, und das wollte er ihm nicht antun.
    Stattdessen beschleunigte er seine Schritte und stürmte in die Küche.
    Er bemerkte die Anwesenheit seiner Eltern und seines jüngeren Bruders kaum, die noch um den Frühstückstisch saßen, folglich sah er ihre überraschten und besorgten Mienen nicht. Aus Dannys Gesicht sprach eher Genervtheit, Verbitterung und eine vage Furcht. Doch selbst wenn Colin sie gesehen hätte, hätte er weder Zeit noch Lust gehabt, sie zu analysieren oder zu verstehen. Colin befand sich auf einer ganz besonderen Mission, er musste seinem eigenen speziellen Zeitplan folgen.
    Seine Mutter sah auf ihre Armbanduhr: 8  Uhr. »Das war mal ein kurzer erster Tag«, stellte Mrs. Fischer ironisch fest, wobei diese Ironie Colin wie immer entging.
    Sein Vater nickte, während er von seinem Platz am Tisch aufstand. Mr. Fischer folgte Colin etwa so, wie ein Border-Collie einem aus der Herde ausscherenden Schaf nachsetzt. »Hoppla, Großer.«
    Colin blieb abrupt stehen. Eine antrainierte Reaktion auf den freundlichen, aber bestimmten Ton seines Vaters. Er drehte sich mit gesenktem Kopf zu Mr. Fischer um und vermied dessen Blick – allerdings nicht aus Verlegenheit, sondern weil Colin jedem Blick auswich, außer wenn es absolut unerlässlich war. Das bewirkte, dass der Junge den Eindruck machte, ununterbrochen traurig zu sein, was er jedoch fast niemals war.
    »Hast du im Kampf gegen einen Feuerwehrschlauch verloren?«, fragte Mr. Fischer und sah, wie das Wasser aus Colins Poloshirt auf den Fliesenboden tropfte.
    Seine Mutter wartete die Antwort nicht ab. Sie war schon auf halbem Weg die Treppe hinauf. 14  Jahre Unwägbarkeit hatten sie darauf trainiert, in Sekundenschnelle zu reagieren, selbst ohne vollständige Information oder Erklärung. »Ich
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