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Der beste Tag meines Lebens

Der beste Tag meines Lebens

Titel: Der beste Tag meines Lebens
Autoren: Ashley Miller , Zack Stentz
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verbergen. Stans Blick wanderte dagegen ihren Rücken hinunter und ließ dabei ein schiefes Grinsen sehen, das Colin nicht zu deuten vermochte. Eddie schien da keine Schwierigkeiten zu haben – seine Augen wurden schmal, und er funkelte Stan mit einem so besitzergreifenden Gesichtsausdruck an, dass Colin ihn sogar als Kleinkind verstanden hätte, selbst wenn er das Ganze nicht in Worte hätte fassen können.
     
    Sandy Ryan unterhält Liebesbeziehung zu Eddie. Wahrscheinlich als Folge von Brustwachstum und Hervortreten sekundärer Geschlechtsmerkmale. Weiter ermitteln.
     
    Sandy war blond und hatte dünne, staksige Beine – ein physisches Attribut, das Colin schon seit dem Kindergarten mit ihr assoziierte –, in ihrer Neuntklässler-Cheerleader-Uniform sah sie allerdings trotzdem ziemlich attraktiv aus.
    »Eddie«, sagte sie jetzt mit gesenkter Stimme, die sich unmittelbar auf Eddies Atmung auszuwirken schien, denn diese wurde sofort ruhiger und gleichmäßiger. »Das lohnt sich nicht. Wayne Connelly ist doch ein Loser.«
    Colins Stift schwebte über seinem Notizbuch, um diesen Moment festzuhalten. Er zögerte, weil er sich fragte, ob das umgekehrt aus Eddie einen »Gewinner« machte, und wenn ja, was er dann wohl gewonnen hatte. Colin war so auf diese Aufgabe konzentriert, dass es ihn völlig unerwartet traf, als Stan auf ihn zukam und ihn in einen Spind stieß. Er bemerkte jedoch klar und deutlich, wie seine Zähne aufeinanderschlugen, wie sein Körper sich zusammenzog und dass die metallene Spindtür ein wenig nachgab, als sein Rumpf dagegenknallte. Was er jedoch am deutlichsten wahrnahm und was ihn am meisten bekümmerte, das war der Gestank von Stans verschwitzten Klamotten, die definitiv schon seit mehreren Tagen keine Waschmaschine mehr gesehen hatten.
    Beim Aufprall auf den Spind flogen Colins kostbares Notizbuch und sein grüner Kugelschreiber davon. Seine Brille verrutschte und hing nur noch lose an einem Ohr und auf der Spitze seiner kleinen Nase.
    »Wenn du dir solche Sorgen um deinen kleinen Freund machst, dann solltest du ihm vielleicht hinterherlaufen.« Stan zischte durch die Lücke zwischen seinen Schneidezähnen: »Du Freak.«
    Colin rückte sein Brille wieder gerade. Er spürte ein Feuer in seinem Bauch. In seiner Brust. In seiner Kehle. Er spannte seinen ganzen Körper an, um das Feuer zu unterdrücken. Colin wusste, wenn es einmal ausbrach, hätte er es nicht mehr unter Kontrolle. Also konzentrierte er sich darauf, tief und abkühlend einzuatmen …
    »Hey, Stan«, sagte da eine Mädchenstimme. Sanft und klar. Angenehm. Colin mochte den Klang dieser Stimme. Sie besänftigte ihn. Die Stimme gehörte Melissa Greer.
    In Colins Gedächtnis war Melissa ein dürres Mädchen mit struppigem dünnem Haar, einem mit hässlicher Akne übersäten Gesicht und einem Lächeln, das hinter einer Zahnspange aus Metall eingesperrt war. Im Laufe vieler Jahre hatte Colin beobachtet, wie andere Kinder sie mieden oder ihre kollektive Grausamkeit an ihr ausließen. In der Pause oder nach dem Mittagessen fand Colin Melissa meist allein in einer Ecke des Spielplatzes, mit rotem Gesicht und feuchten Augen. Er sagte dann nichts zu ihr. Fragte nicht, warum sie TRAURIG aussah. Er setzte sich einfach neben sie auf den Boden, zog die Knie an die Brust und dachte, wie kühl sich das Gras unter ihm anfühlte.
    Über Melissa hatte Colin einmal in sein Notizbuch geschrieben:
     
    Melissa Greer: Belesen. Gut in Mathe. Sehr interessant.
     
    Über den Sommer hatte Melissa sich verändert. Colin bemerkte, dass ihre Zahnspange weg war. Ihre Akne war verschwunden. Ihre Haare wirkten gebändigt. Es gab auch noch andere Veränderungen, die Colin sehr interessant fand. Stan, Cooper und Eddie starrten sie an und schienen dieselben Dinge wahrzunehmen, aber allesamt nicht recht zu wissen, wie sie darauf reagieren sollten.
    »Meine Fresse.« Stan blinzelte und musterte sie von oben bis unten.
    Melissa suchte nicht nach Anerkennung und war über das Heulen auf dem Spielplatz längst hinaus. Sie nickte Colin zu und trat dann furchtlos und lächelnd in Stans unmittelbare Nähe – ein seltenes Ereignis und daher bemerkenswert. Colin wünschte sich geistesabwesend seinen Spickzettel, denn diese besondere Art von Grinsen entzog sich einer schnellen Zuordnung.
    »Geh und sublimier deine homoerotischen Phantasien woanders«, sagte sie.
    Stan glotzte sie belemmert an. »Meine – meine was?«
    Colin rückte noch mal seine Brille zurecht.
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