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Der beste Tag meines Lebens

Der beste Tag meines Lebens

Titel: Der beste Tag meines Lebens
Autoren: Ashley Miller , Zack Stentz
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ermittelt wurde. Man bezog ihn ungewöhnlich stark in jeden Aspekt der Schwangerschaft mit ein, und er weinte, als er erfuhr, dass er nicht mit in den Kreißsaal dürfe. Als Baby ließ Colin seinen Bruder selten aus den Augen. Er hielt seine Beobachtungen in Form von Zeichnungen fest und überreichte seinen Eltern am Vorabend von Dannys erstem Geburtstag ein vollständiges Dossier mit dem Titel »Was wir über Danny wissen«. Sogar der erste Eintrag in Colins erstem Notizbuch handelte von ihm:
     
    Ich habe einen Bruder. Sein Name ist Danny. Er lächelt gern. Meine Mutter sagt, er ist glücklich, weil er einen großen Bruder hat, der ihn liebhat.
    Weiter ermitteln.
     
    Danny antwortete nicht auf Colins Frage. Er wusste, dass sie nur Teil von Colins Textbuch war, und er machte kaum einen Hehl daraus, dass er sie hasste.
    »So«, begann Danny, »dann hat also jemand mit deinem Kopf die große Besichtigungstour durch die Jungstoilette gemacht. Die volle Saubere-Schüssel-Nummer. Stimmt’s?«
    »Meine Verhaltenstherapeutin Marie sagt: ›Kinder haben oft Angst vor jemand, der anders ist. Sie verschaffen sich selbst ein Gefühl von Sicherheit, indem sie Kids mobben, die anders sind.‹« Das war Wort für Wort das, was Marie zu ihm gesagt hatte.
    »Du bist nicht anders«, sagte Danny schnaubend. »Du bist eine Freakshow.«
    Von draußen war das Geräusch eines Dieselmotors zu hören, der langsam zum Stehen kam, dann ein weiches, hydraulisches Zischen. Von unten schallte Mrs. Fischers Stimme herauf: »Danny, dein Bus! Ich werde dich
nicht
in die Schule fahren, Compadre, also sattel lieber auf!«
    Colin beobachtete sehr genau, wie sich die Miene seines elfjährigen Bruders sichtlich veränderte. »Hör doch einfach damit auf, Colin«, bat Danny ihn leise. »Kannst du nicht damit aufhören?« Danach polterte er die Treppe hinunter.
    Colin wandte seine Aufmerksamkeit teilnahmslos wieder den Faustregeln zu. Er blätterte die Seiten durch und suchte nach einer Zeichnung, die zu Dannys Gesichtsausdruck passte.
    Endlich hielt er inne und legte einen Finger auf eine finstere Miene. ÄNGSTLICH .
    ***
    Colin und sein Vater fuhren schweigend.
    Mr. Fischer war fürs Büro angezogen: blaues Button-down-Oxford-Hemd mit einer Zwanzig-Dollar-Krawatte aus Baumwolle, dazu eine Khakihose, alles ordentlich gebügelt. Ein Sicherheitsausweis von Jet Propulsion Lab war an seine Hemdtasche geclipt und wies ihn aus als »Michael Fischer, Senior Analyst«. Auf dem Foto lächelte er. Colin schaute sich den Ausweis gern an – das Lächeln seines Vaters war beruhigend.
    Im Moment lächelte Mr. Fischer allerdings nicht. Seine Lippen waren fest zusammengepresst, und seine Finger klopften einen unregelmäßigen Rhythmus aufs Lenkrad. Colin sah ihn nicht an, sondern starrte aus dem Fenster auf die Autos, die an der Auffahrt warteten. Im perfekten Reißverschlussverfahren fädelten sie sich in den fließenden Verkehr ein. Ein Beispiel spontaner Selbstorganisation. Doch dann störte eine Frau in einem Geländewagen mit dem Handy am Ohr das Muster und erzeugte eine Art egozentrisches Chaos. Colin fand es interessant, wie eine kleine Verletzung des sozialen Gefüges ein ganzes System aus dem Gleichgewicht zu bringen vermochte. »Also«, sagte er schließlich, genervt vom Schweigen und überzeugt, dass Colin es diesmal nicht von sich aus brechen würde, »wirst du mir jetzt sagen, was passiert ist? Oder muss ich raten?«
    Schweigen. Dann: »Du hast eine wichtige Besprechung.« Das war keine Antwort.
    »Das ist der erste Schultag.« Sein Vater ließ nicht locker. Er würde seinem Sohn keine Gelegenheit geben, das Thema zu wechseln, auch wenn er ein Meister darin war. »Du kannst es ja nicht einmal bis ins Zimmer deines Klassenlehrers geschafft haben. Oder befindet sich das im Schwimmbad?«
    »Dein Hemd ist gebügelt«, stellte Colin fest. »Du bügelst dein Hemd nur, wenn du eine Besprechung hast und diese Besprechung wichtig ist.«
    Das stimmte. Aber es war unwichtig. »Ich weiß, dass einem so etwas Angst macht. Mir hat es auch Angst gemacht, dabei war ich eine Sportskanone. Ich konnte auf mich selbst aufpassen.«
    »Du trommelst mit den Fingern. Es bedeutet, dass du jemand treffen musst, mit dem du sonst nicht reden musst. Und du musst Rede und Antwort stehen.«
    Mr. Fischer hörte mit dem Trommeln auf und sah auf seine Finger. Verdammt, der Junge war richtig gut. »Es tut mir leid, dass du da jetzt alleine reinmusst. Wirklich. Aber so läuft das nun
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