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Morbus Konstantin: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Morbus Konstantin: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Morbus Konstantin: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
Autoren: T. Aaron Payton
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Liebesakte

    E r nannte sich Adam, und alles, was er wollte, war Liebe.
    Der Mann, der nicht ganz Mann war, ging durch sein Laboratorium. Dabei zog er unbeholfen das Bein nach, das seit seinem Unfall in der Arktis vor vielen Jahren steif war. Sein Arbeitsraum im Keller war niedrig, beengt und vollgestopft mit Regalen, Tischen und den unzähligen Werkzeugen seiner unzähligen Tätigkeiten. Die unschöne Umgebung verstärkte nur die strahlende Schönheit der Frau, die auf seinem Untersuchungstisch lag. Ihr Haar hatte die Farbe von Rabenfedern, ihre Haut war blass wie schneebedeckte Alpengipfel, und ihr Fleisch noch immer kalt von den Eisstücken, in denen sie bei ihrer Ankunft eingepackt gewesen war. Ihre Kehle war unverletzt, was bedeutete, dass sie wahrscheinlich erstickt oder möglicherweise an Gift gestorben war. Egal. Das chemische Präparat, das er verwendet hatte, um ihr Blut zu ersetzen, hatte alle Giftstoffe oder Krankheiten, an denen sie zu Lebzeiten gelitten hatte, fortgespült.
    Adam befestigte die handgesponnenen Drähte an ihrer Stirn und steckte eine Metallsonde in einen winzigen, unblutigen Einschnitt über ihrem Herzen. Die Drähte liefen zu einem hohen Holzregal zurück, auf dem reihenweise tönerne Gefäße standen. Darin blubberten ätzende Chemikalien, die im Zusammenspiel das moderne Wunderwerk der gefangenen Elektrizität produzierten. Andere, die versucht hatten, eine ähnliche Richtung wissenschaftlicher Forschung einzuschlagen, waren gezwungen gewesen, auf Blitzschläge oder Wasserbecken voll Zitteraale und anderer elektrischer Fische zu vertrauen, um die nötige Energie zu erhalten. Aber die Naturwissenschaft – diese kalte Jungfrau, diese hochmütige Herrin, diese fruchtbare Mutter – war seit jenen dunklen Tagen vorangeschritten. Adam hatte diese Batterien perfektioniert. Sie speicherten Elektrizität in größerer Menge und gaben sie in kontrollierterer Spannung ab als andere, allgemein erhältliche Entwürfe. Er hätte mühelos reich werden können, wenn er die Innovation verkauft hätte, denn die öffentliche Begeisterung für Elektrizität fand noch immer kein Ende. Doch seine Forschungen wurden von seinem Gönner ausreichend finanziert, und über diese Bedürfnisse hinaus interessierte ihn Geld nicht. Wahrheit hingegen schon. Leben. Liebe.
    Nachdem er noch einmal die dicken Lederriemen überprüft hatte, die die schlanke Frau auf dem Operationstisch hielten, hinkte er zu einem schartigen Holzhebel an der Wand hinüber, wo ein Dutzend Drähte aufeinandertrafen. Er legte den Hebel um, und der Raum war erfüllt von einem Brummen, das nach Zitronen schmeckte, und einem Duft, der wie Glockenläuten klang. Seit seinem Unfall und seinem Beinahe-Tod in der Arktis vor fünfundsechzig Jahren hatte sich etwas in ihm verändert, und Adams Sinne waren nicht mehr wie die anderer Menschen. Klang wurde zu Geschmack und Duft zu Klang, das Ergebnis seltsamer Querverbindungen tief in seiner Gehirnstruktur. Vielleicht zeigten diese Veränderungen eine Beschädigung an, doch er hatte seitdem eine normale menschliche Zeitspanne durchlebt, ohne eine weitere Verschlechterung zu erleiden. Alles in allem hielt er seine neu strukturierte Wahrnehmung für einen Segen. Ihm tat die Masse der Menschen leid, die mit ihren isolierten, abgeschnittenen Sinnen nur die Reflektionen des Lichts sahen und nur die Vibrationen der Luft hörten. Ihre Erfahrung der Welt musste einer einzelnen einsamen Flöte gleichen, während die Welt für Adam eine Symphonie war.
    Die Frau auf dem Tisch bewegte sich, ihre Glieder zuckten, ihr Rücken bog sich, so gut er es gegen die Riemen vermochte. Doch diese Bewegung allein bedeutete nichts. Strom, der durch einen toten Frosch lief, brachte das Tier zum Zucken, die Muskeln würden sich anspannen und zusammenziehen. Solche Bewegungen hatten nichts mit Leben zu tun, nicht mehr als ein toter Zweig, der sich im Wind bewegte.
    Nach einer angemessenen Pause, in der Adam die Sekunden in seinem metronomisch genauen Geist abgezählt hatte, schaltete er den Strom aus. Die Frau erschlaffte auf dem Tisch. Adam entfernte vorsichtig die Drähte von ihrem Körper, legte sein Ohr zwischen ihre Brüste auf ihren Oberkörper und lauschte.
    Ihr Herz schlug wieder, das Geräusch schmeckte wie salziges Meerwasser. Das bedeutete wenigstens, dass er nicht komplett gescheitert war. Ungefähr die Hälfte seiner Experimente kam nicht einmal so weit, weil die Körper seiner Versuchspersonen zu starke unauffällige
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