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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman
Autoren: Ulf Schiewe
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vorstellen, wie untröstlich ich war.«
    Eine Heimreise hätte sie nicht mehr überstanden. So verbrachten wir die letzten drei Monate ihres Lebens in einer Herberge der Stadt. Ich tat alles, um ihr die Tage so angenehm wie möglich zu machen, wusch sie täglich und fütterte sie mit Leckerbissen, obwohl sie nur noch wie ein Vögelchen aß.
    An ihre letzten Worte kann ich mich so gut erinnern, als wenn es gestern gewesen wäre. Von unseren guten Jahren sprach sie, dass sie nie glücklicher gewesen sei. Deshalb sei sie nicht traurig zu gehen. Und wenn ich beteuerte, dass sie mir ewig fehlen würde, nahm sie mir das Versprechen ab, eine gute Frau zu finden, damit ich im Alter nicht einsam sein müsse. Wie soll ich eine Frau finden, antwortete ich, die nur halb so klug und schön ist wie du. Und dann küsste ich ihre welken Lippen. Daraufhin strich sie sich über die dünnen Haare und lächelte wie früher vor dem Spiegel, wenn ich ihr meine Schmeicheleien ins Ohr geflüstert hatte.
    »Sie verschied in meinen Armen, in Frieden mit Gott und sich selbst.«
    Aimar saß da und weinte bei diesen Worten. »Nun ist sie im Paradies,
Senher
«, sagte er, als wolle er mich trösten.
    Im Paradies. Das verdammte Paradies muss für alles herhalten, dachte ich ärgerlich. Trost, Hoffnung, Entschädigung, Belohnung oder ewige Verzückung. Sie reden so viel davon, dass einem die Ohren klingen. Das Leben auf Erden dagegen nennen sie ein Jammertal. Was für ein Schwachsinn! Wenn wir schon von Tod und Krankheit umgeben sind, muss man nicht gerade dann das pulsierende Leben lieben und sich daran erfreuen?
    »Weißt du, mein Junge, ich halte es mit meinem alten Freund Pilet, der für Trauer und Trübsal wenig Sinn hatte. Heute ist
Toussant,
und nach der Messe gibt es ein Festmahl. Das wollen wir genießen! Hast du schon Hunger?«
    Er grinste. »Immer, Herr!«
    ***
    Die Bauern brachten uns kleine Gaben. Jaufré, der junge Schmied, machte seine Aufwartung und schenkte mir die handgroße Nachbildung eines Pfluges. Einen dieser neumodischen Pflüge, die die Erde nicht nur aufreißen, sondern auch wenden, so dass das Kraut untergepflügt wird. Den wollte er im Winter für uns bauen. Gisla, Drogos Witwe, kam mit ihrem Mann Joris, dem Müller, um an der Feier teilzunehmen. Die beiden hatten sich gefunden und zu beider schon beträchtlichen Kinderschar noch ein paar mehr hinzugefügt.
    Die Messe und Andacht in unserer Kapelle waren erbauend und das nachfolgende Essen wie immer vorzüglich. Zuerst gab es Gänseleberterrine und dann einen Eintopf mit weißen Bohnen, Speck und Blutwurst. Cortesas mit Maronen gestopfte Gänse waren ein einziger Genuss. Allein der Rinderbraten war etwas angebrannt, und die Köchin schalt ihre Tochter daraufhin eine törichte Magd. Um sie zu trösten, erzählte ich dem armen Kind, was für ein guter Mensch ihr Vater Alexis gewesen war. Das zauberte ein Lächeln auf ihre Wangen und ein paar wehmütige Tränen auf die ihrer Mutter. Cortesa schenkte mir einen dankbaren Blick und einen besonders großzügigen Schlag ihres köstlichen Nachtisches.
    Schließlich rückten die Weiber an einem Ende der Tafel zusammen und die Männer am anderen. Mehr Wein kam auf den Tisch, und die Kinder wurden in den Burghof entlassen, wo sie ausgelassen herumtollten. Ein Mann kann sich wahrlich glücklich schätzen, so einen Tag im Kreise seiner
familia
verbringen zu dürfen.
    Hamids Gesicht war inzwischen von kleinen Furchen gezeichnet, und seine Haare waren grau geworden. Aber er war noch stark, sein fester, ruhiger Blick immer noch ermutigend und sein abgeklärter Spott brachte einen wie gewohnt auf den Boden der Tatsachen zurück, wenn man sich in unwirkliche Gefilde verlor. Aus dem jungen Krieger Severin war ein Mann in den besten Jahren geworden, der mit Umsicht und Klugheit seinen Herrenhof und seine kleine Siedlung verwaltete. Der Schmied Jaufré erklärte uns den neuen Pflug, und Joris, der Müller, hörte aufmerksam zu. Mein guter alter Brun war dabei, und sogar Gustau hatte uns beehrt. Und natürlich Jacobus mit seinem Schützling Aimar.
    Wie jedes Jahr kamen wir nach einer Weile auf unsere toten Kameraden zu sprechen, auf Pilet und so viele andere, die wir in fremder Erde zurückgelassen hatten.
    In Gedanken leerte ich einen Schluck zu Ehren Bertrans, meines Bruders. Natürlich redeten wir von Drogo und Felipe und anderen aus dem Dorf, die sich im Kampf gegen Robert geopfert hatten. Und irgendwie, wahrscheinlich weil wir wieder beim
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