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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman
Autoren: Ulf Schiewe
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zusammen, um den Vorfall zu erörtern. Ich schüttelte belustigt den Kopf und trat vom Fenster zurück.
    Vielleicht war es doch mein Schreiber. Ich hatte wichtige Schriftstücke aufzusetzen. Das war Arbeit für einen Pfaffen und nicht für einen Edelmann, wenngleich heutzutage auch mancher
senher
gern das Schwert gegen die Feder zu tauschen scheint.
Trobadors
nennen sie sich, Versefinder und Dichter. Neumodischer Unsinn für höfische Gecken, so sage ich dagegen. Obwohl manches Lied, das muss ich zugeben, mir schon gefallen hat. Nun, ich kann meinen Namen schreiben, und das hat bisher immer genügt. Wenn es nach mir ginge, sollte ein jeder bei dem bleiben, was unser Herrgott für ihn bestimmt hat. Der eine pflügt den Acker, der andere lenkt das Schlachtross. Und zum Schreiben schickt man nach einem Klosterbruder.
Basta!
    »Herr!«, schrie die Köchin von unten herauf, dass es durch den Turm hallte. Wie oft habe ich dem Weib nicht schon gesagt, sie soll nicht schreien. Warum schickte sie nicht eine Magd? Aber es war zwecklos, ihr noch Anstand beibringen zu wollen. Ohne ihre Künste in der Küche wäre ich längst nicht so geduldig mit ihr.
    »Was ist?«, brüllte ich zurück.
    »Ein komisches Bürschlein im Mönchsgewand will Euch sprechen«, rief sie fröhlich.
    »Dann schick ihn herauf!«
    Wenig später hörte ich einen leichten Fußtritt auf der langen, gewundenen Steinstiege, bis er prustend und schwitzend vor mir stand. Ein junger Kerl mit dünnem Flaum am Kinn, hochrot vor Anstrengung und schwer atmend. Er musste sich am Pferdetrog erfrischt haben, denn es tropfte noch Wasser vom Gesicht auf die Kutte.
    »Seid gegrüßt,
Mossenher!
«, stammelte er und machte eine tiefe Verbeugung. »Prior Jacobus schickt mich.« Dabei musste er wieder schnaufend Luft holen.
    Ich besah mir den Jungen von allen Seiten.
    Eine stoppelige Tonsur, die längst hätte neu geschoren werden müssen. Darunter dunkle, strähnige Haare. Die graue Kutte aus rauhem Sacktuch, mehrfach geflickt, hing in Fetzen über nackte, verstaubte Füße. Er war nicht groß, hatte schlanke Glieder, ein ebenes Gesicht. Aber Herrgott, wie scheußlich er nach altem Schweiß und ungewaschenen Füßen stank! Ich rümpfte die Nase. Was hatten sie mir denn hier für einen verdreckten Milchbart geschickt?
    Doch aus dem Elend seiner Lumpen starrten unschuldige, blaue Augen. Obwohl er die Lider nicht unterwürfig senkte, wie es einfache Leute im Angesicht eines Edelmannes tun, so war sein Blick doch nicht aufmüpfig. Nein, er sah mich treuherzig an, mit einer unbefangenen Neugierde in den Augen und leicht geöffneten Lippen, denn sein Atem hatte sich noch nicht beruhigt. Etwas Wasser lief aus dem strähnigen Haar, und er wischte sich mit dem Ärmel der Kutte verschämt übers Gesicht. Diese kindliche Geste und die großen Augen, die er nun doch verlegen niederschlug, verstärkten den Eindruck von Unschuld und Verletzlichkeit. Er erinnerte mich plötzlich an meine eigenen Kinder.
Mon Dieu!,
wie lang war das nun schon her?
    Ich unterdrückte den Fluch, den ich wegen seiner verlotterten Erscheinung auf den Lippen gehabt hatte. Es geschah mir ganz recht. Niemandem hatte ich trauen wollen. Zumindest nicht den Brüdern des nahen Klosters Cubaria, auch wenn die mir sicher einen fähigen Schreiber gesandt hätten. Aber sie hatten mich schon einmal verraten, obwohl es lange her war. Überhaupt war ich auf größte Vorsicht bedacht. Es gab Dinge zu regeln, vor allem diese vertrackte Familiengeschichte, an die ich kaum denken mochte. Bei mir war sie nur
tal res,
jene dunkle Angelegenheit, die man besser nicht beim Namen nennen sollte. Nein, nein, es war schon richtig, jemanden aus der alten Einsiedelei zu holen. Die plapperten nicht. Und dorthin verirrte sich auch niemand, um Dinge zu erfahren, die nicht für seine Ohren bestimmt waren.
    »Was gehst du ohne Schuhe?«, fuhr ich den Jungen unwirsch an. Der blickte auf seine schwieligen Füße und zuckte mit den Schultern.
    »Ich habe keine,
Senher.
Wir dienen dem Herrn in Demut und Armut, wie es der Heilige Benedikt befiehlt.«
    »Ich weiß das. Aber selbst Christus trug Sandalen.«
    Darauf wusste er nichts zu sagen und schlug beschämt die Augen nieder.
    »Du bist zu jung für einen Schreiberling.«
    »Prior Jacobus vertraut mir, Herr.« Mit diesen Worten nahm er die Schultern zurück, und auch seine Stimme klang fester.
    »Offensichtlich«, brummte ich. »Und wie heißt du?«
    »Aimar,
Mossenher.
«
    Unwillkürlich zuckte ich
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