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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman
Autoren: Ulf Schiewe
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machst«, erwiderte ich spöttisch, »wollen wir es erst mal mit deinen Schreibkünsten versuchen. Gehen wir ans Werk.«
    In Wahrheit wäre ich lieber zu Pferde in den Feldern oder mit meinem Wildhüter auf der Pirsch gewesen. Aber das Testament war wichtiger.
    »Ich, Jaufré Montalban«, hob ich an, »
Senher
de Rocafort …« Da verließ mich schon die Eingebung. Der Titel
Senher
entsprach dem Stand meines Geschlechts. Aber nur als adeliger Gutsherr habe ich mich nie gesehen. Denn ich bin Krieger, bin mein Lebtag lang ein
cavalier
gewesen. Nicht, dass ich den Krieg liebe. Nur Grünschnäbel und Dummköpfe ziehen begeistert in den Kampf. Dennoch bin ich stolz darauf, ein Ritter zu sein, der die Achtung seiner Freunde genießt und seinen Feinden Furcht einflößt.
    »Also nochmals! Ich, Jaufré Montalban,
Cavalier
und
Castelan
von Rocafort, Sohn der
Domna
Cecilia de Monisat und des Ritters Ramon Montalban aus Catalonha, Großneffe Odos von Monisat, vormals Erzbischof von Narbona, gebe hiermit meinen letzten Willen kund.«
    Aimar tauchte den Gänsekiel in die Tinte, beugte sich über das leere Blatt und begann, mit der Feder über das Pergament zu kritzeln. Es ging ihm gut von der Hand, bemerkte ich zufrieden. Überhaupt, trotz seiner Jugend und der vor Schmutz starrenden Kutte gestern, schien er mir recht aufgeweckt zu sein.
    »Prior Jacobus hat mir erzählt, dass Euer Verwandter Erzbischof war. Dann gehört Ihr einer mächtigen Familie an, nicht wahr?« Er sah von seiner Arbeit auf.
    Weiß er etwas, fragte ich mich misstrauisch. Aber Jacobus würde mir gewiss nicht vorgreifen. Trotzdem ging mir ein Ruck durchs Herz. War dies schon der Augenblick, den Jungen aufzuklären? Nein, ich würde ihn noch ein wenig beobachten, um mich zu vergewissern, dass er vertrauenswürdig war.
    Heutzutage wollen sie alles ihren verdammten Pergamenten anvertrauen. Doch die können in falsche Hände geraten. Geheimes Wissen bewahrt man besser unter den strengsten Eiden der Verschwiegenheit im Kopf eines
ome de fianza,
eines vertrauenswürdigen Mannes. Jung genug soll er sein, damit er nicht gleich wegstirbt. Und unscheinbar, dass niemand ihn verdächtigen möge. Aber klug, um in den Jahren weise zu entscheiden, wem er das Wissen weiterzureichen hätte. Und verschwiegen vor allen Dingen.
    Eine solche Bürde hatte mein Onkel Odo damals dem Mönch Jacobus auferlegt. Und die Wahl war gut gewesen. Erst mir, dem Erben der Familie öffnete er sich, so wie Odo es ihm aufgetragen hatte. Und nun, für eine ähnliche Aufgabe, hatte Jacobus mir diesen
petit gartz,
diesen Jungen, geschickt.
    »Was hast du gesagt?«
    »Ob Ihr zu einer mächtigen Familie gehört …«, wiederholte er mit einem nachsichtigen Seufzer, wie ihn nur die Jugend fertigbringt, wenn sie sich mit einem geistesabwesenden, alten Trottel herumschlagen muss.
    »Nein, nein! Wir sind nicht mächtig. Mein Onkel war es einmal, als Erzbischof. Graf Guilhem hat er gedient, dem älteren der Tolosaner Grafen, bevor der von seinem Bruder verbannt wurde.« Ich kratzte mich am Kinn und sann einen Moment nach. »Schreib, dass ich als Pilger und Krieger mit der
militia christi
im Heiligen Land war und bei der Befreiung Jerusalems gekämpft habe.«
    Da riss mein Mönch erstaunt die Augenbrauen hoch und starrte mich mit offenem Mund an. Er, der mich noch gestern mit seiner
Historia Francorum
hatte beeindrucken wollen. Ich versuchte, ein Lachen zu verkneifen, denn ihn schien die Maulsperre befallen zu haben. Nur mühsam fasste er sich.
    »Ihr habt am Heerzug ins Heilige Land teilgenommen, Herr?«
    »Willst du es bezweifeln?«
    »Und habt Ihr gegen die Ungläubigen gekämpft?«
    »Häufiger und heftiger, als mir lieb war!«
    »Und Ihr wart in Jerusalem?«
    »Natürlich. Ich war unter denen, die die Mauer bezwungen haben.«
    »
Jes, mon Dieu!
Heilige Mutter Gottes!« Aimar bekreuzigte sich, und seine Augen glühten förmlich vor Begeisterung. Ich wurde ungeduldig. So ging das nicht voran mit dem Testament.
    »Lass dich nicht vom Schreiben abhalten,
mon gartz!
«, sagte ich daher kurz angebunden. Hastig schrieb er weiter und sah mich dann wieder mit großen Augen erwartungsvoll an.
    »Schreib, dass ich später Hauptmann und
castelan
der Burg Pilgersberg des Grafen Raimon Sant Gille war«, sagte ich. »Ein harter Knochen, der Alte, aber ein gerechter Kriegsherr. Herrscher der Grafschaft Tripolis in Outremer und mein Lehnsherr.«
    Der Klang des Wortes Outremer gab meiner alten Abenteurerseele immer
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