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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman
Autoren: Ulf Schiewe
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noch einen Stich. Fast sah ich mich auf ein Schiff steigen, um der Sonne entgegenzusegeln. Outremer. Land jenseits des Meeres. Das Wort beschwört Bilder herauf. Manche fremdartig schön, andere hässlich und blutig. Vierzehn Jahre lang habe ich in der Fremde verbracht. Das verändert einen Menschen. Ich gehöre hierher in meine Corbieras. Und dennoch, ein Teil von mir gehört auch nach Tripolis. Das ist verwirrend.
    »Nach Raimons Tod in Tripolis durfte ich später auch seinem Sohn, Graf Bertran, dienen.« Bertran der Bastard, ein Mann so recht nach meinem Herzen, erinnerte ich mich lächelnd. Ihn hatte ich geliebt, auch wenn Gott unseren gemeinsamen Weg leider viel zu kurz bemessen hatte.
    »Pilgersberg?«, fragte Aimar. »Hört sich eher nach einer Kapelle an.«
    »Es ist die größte Burg in Outremer.«
    »Seltsamer Name für eine Festung.«
    »Sie heißt Mons Pelegrinus, das weiß doch jeder. Steht das nicht in deiner
Historia Francorum?
«
    »Ich habe sie noch nicht zu Ende gelesen.«
    »Sie wurde erst nach dem Fall Jerusalems errichtet, als Schutzburg für die Pilger.« Langsam wurde mir dies Gerede zu viel. »Was schert es dich, wie die Burg heißt. Schreib einfach, was ich dir auftrage.«
    »Ja, Herr. Aber Ihr redet zu schnell.«
    »Ein keckes Bürschchen bist du«, brummte ich. »Wie alt bist du eigentlich?«
    »Achtzehn, Herr.«
    Achtzehn. Mein Gott. Viel älter war ich damals auch nicht gewesen, als ich Papst Urbans Rede in Clermont gelauscht hatte. Wer sich aufmache, das Grab Christi zu befreien, dem seien Gottes Vergebung und das ewige Himmelreich gewiss, so hatte er gepredigt. Warum nur hatten Männer freiwillig Haus und Hof, Burg und Hütte verlassen, um in die Fremde zu ziehen? Gewiss hatten wir uns als Krieger Christi gesehen, ein beflügelnder Gedanke, denn viele waren empört über die Ungläubigen, die unsere Christenbrüder im Osten bedrängten, angeblich Kirchen und Christenfrauen schändeten. Aber was ging uns das an, so weit weg von unserem eigenen Leben hier? Und was hatte dieser Pilgerzug am Ende gebracht, außer Witwen und Waisen, Tod und Verwüstung? Mich fröstelte plötzlich. War es ein kalter Windstoß, der durchs Turmfenster drang, oder die Erinnerungen, die mich plagten? Männerstimmen drangen herauf und das harte Geklapper von Pferdehufen auf Pflastersteinen. Hunde schlugen aufgeregt an. Es klang wie der Aufbruch zur Schlacht. Rüstete sich das letzte Aufgebot?
    Ein Räuspern schreckte mich aus meinen Tagträumen. Einige Herzschläge lang hatte ich mich in einer anderen Welt befunden. Mein Blick heftete sich wieder auf Aimars Gesicht, der mich immer noch fragend anstarrte.
    »Achtzehn bist du?«, fragte ich geistesabwesend. »Und was lebst du bei den Einsiedlern? Sind deine Eltern tot?«
    Er schüttelte verlegen den Kopf. »Das ist es nicht.«
    »Ich sage dir, mein Junge, es gibt nichts Wichtigeres als die Familie. Ich weiß es aus eigener Erfahrung. Ohne sie ist ein Mann gar nichts!« Ich sah ihm streng ins Gesicht. »Also, was ist mit deiner Familie?«
    Seine Augen wichen meinen aus. »Es ist meine Buße, Herr. Ich habe gesündigt.« Was konnte so ein Knabe denn schon groß gesündigt haben? Aber mehr wollte er nicht sagen. Na schön. Es ging mich nichts an. »Ihr habt es schon hinter Euch,
Senher!
«
    »Wie meinst du das?«
    »Als Pilger auf Wallfahrt zur Befreiung des Heiligen Grabes, da sind Euch doch alle Sünden vergeben. Allein für die Teilnahme ist Euch das Himmelreich gewiss«, rief er verklärt.
    Einen Augenblick starrte ich ihn verdutzt an. Dann brach ich in schallendes Gelächter aus.
    »Das Himmelreich für einen alten Maurenschlächter, was?«, grunzte ich.
    »Hat der Papst es nicht gesagt?«, rief er entrüstet und bedachte mich mit einem wütenden Blick, als sei ich ein Ketzer.
    »Das hat er. Das hat er in der Tat versprochen.«
    Aber ich musste immer noch lachen. Es ist seine Unschuld, dachte ich belustigt. Hatte ich nicht auch an so etwas geglaubt? Ach, was tut man nicht für irrsinnige Dinge, wenn man jung und leichtgläubig ist und sich dennoch für schrecklich weise und unverwundbar hält. Die meisten derer, die so begeistert ausgezogen waren, hatten später ihr Blut im Staub Anatoliens, Syriens und Palästinas vergossen. Oft hatte ich ins Antlitz der Erschlagenen gestarrt. Waren ihre Züge verklärt? Hatten sie das Himmelreich erblickt? Nein, sie hatten nicht anders als tote Mauren ausgesehen, und ihre Leichen hatten nicht weniger ekelhaft gestunken.
    »Du
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