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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman
Autoren: Ulf Schiewe
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fuhr. Noch kichernd räumte sie den Tisch ab und wischte ihn mit ihrer Schürze sauber. So wie sie sich über die Eichenplatte beugte, sah man ihre strammen Hinterbacken. Ein durchaus angenehmer Anblick, fand ich, auch am frühen Morgen. Als ich dem Jungen vielsagend zuzwinkerte, wand er sich vor Verlegenheit und wäre am liebsten unter den Tisch gekrochen. Unschuldig ist er auch noch, dachte ich belustigt.
    »So, nun trollt euch. Heute ist Backtag. Da gibt’s zu tun.«
    Sie stemmte eine Faust in die Hüfte und winkte uns hinaus aus ihrem Reich. Wir ließen es uns nicht zweimal sagen, denn nichts ist schlimmer, als einem Heer von Frauen unter ihrer Führung in die Quere zu kommen. In der Vorburg steht der große Backofen, und einmal in der Woche wird dort das Brot unserer kleinen Gemeinde gebacken. Da wird geknetet, gerollt und geformt, geredet und gelacht und dabei der Dorfklatsch genauso kräftig durchgerührt wie der Teig für die großen, krustigen Brotlaibe. Die Backstube wird zum Schlachtfeld und die Cosiniera zum Heermeister über die mehlbestäubten Weiber. Nein, da flüchten wir Männer lieber rechtzeitig.
    Aimar kletterte flink die enge Turmtreppe hinauf. Ich folgte etwas gemächlicher. Als ich ins Turmgemach trat, hatte er schon seine Gerätschaften ausgebreitet, und ich sah zu, wie er etwas von der harten Tintenmasse abschnitt und in einem Schälchen mit ein paar Wassertropfen auflöste.
    Vor ein paar Tagen hatten sie den Fußboden mit frischem Stroh ausgelegt, so wie immer im Herbst und Winter, damit man die Kälte nicht so empfindlich im Bein spürt. Das Turmgemach ist nur spärlich eingerichtet. Neben meinem alten Lehnstuhl, auf dem ich mich nun niederließ, befinden sich hier ein paar Bänke und Schemel, ein solider Tisch aus Fichte und eine große Truhe, in der ich Erinnerungsstücke von meinen Reisen aufbewahre. Ein einfaches Bett steht in einer Ecke, für den Fall, dass es mir gefällt, hier oben zu nächtigen.
    Das schönste Stück ist mein türkischer Wandteppich, in herrlichen Farben aus feiner Wolle geknüpft. Er hat mich einige
solidi
in Gold in den Souks von Tripolis gekostet und stellt eine Reiterschlacht dar, galoppierende Bogenschützen in hellen Turbanen mit den leicht schrägen Augen der turkmenischen Reitervölker. Ich kenne diese seldschukischen Krieger nur zu gut aus eigener Erfahrung. Mit Teppichen dieser Art legen sie den Boden ihrer Zelte aus. Aimar starrte das gute Stück mit offenem Mund an.
    »Kommt aus dem Land der
sarasins.
Du weißt, so nennt man die Anhänger Mohammeds«, erklärte ich ihm. Er nickte scheu und traute sich nicht, weiter zu fragen, obwohl er den Teppich lange verstohlen musterte.
    »Ich nehme an, du weißt, warum du hier bist«, kam ich zur Sache.
    »Ich soll Euer Testament aufsetzen.«
    »Hast du Erfahrung darin?«
    »Nein, Herr.«
    »Und wie soll es gehen, wenn du es noch nie gemacht hast?«, fragte ich gereizt.
    Woraufhin er sich an den Kopf fasste, laut
»Jes Maria!«
hervorstieß und hastig in seinem Beutel kramte. Schon bald zog er triumphierend ein vergilbtes Pergament hervor und hielt es mir unter die Nase. »Ich vergaß. Das hat unser Prior in einer Truhe gefunden. Es soll mir als Beispiel dienen. Seht, hier steht es.
Ultima voluntas!
« Er grinste selbstzufrieden.
    »Wie kommt es, dass du schreiben kannst?«, fragte ich misstrauisch und nur halb besänftigt. Selbst unter Mönchen war das nicht alltäglich, außerdem war dieser hier noch sehr jung. Mit scheuem Blick erzählte er, dass er nicht zur Arbeit auf dem Feld tauge, und deshalb habe ihm der Prior die Kunst der Buchstaben beigebracht. Seitdem dürfe er die Annalen der Einsiedelei führen und den Brüdern aus der Bibel vorlesen.
    »Und wie ist dein Latein?«
    »Der Prior ist mein Lehrer«, erwiderte er zu meinem Erstaunen recht fließend auf Lateinisch. »Ich lese und mache Abschriften. Jeden Tag drei Stunden. Er redet nur noch Latein mit mir, außer wenn er mich einen Dummkopf schilt.« Sein Lachen zeigte, dass er die Schelte des Priors nicht allzu ernst nahm.
    »Für Wichtiges wie Urkunden ist Latein besser«, sagte ich, »denn die
lenga romana
des Volkes ist je nach Ort verschieden. Außerdem gibt es selbst am anderen Ende der Welt genug Menschen, die dieser Sprache mächtig sind. So kann man sich überall verständlich machen.«
    »Ich wünsche mir sehnlichst, eines Tages eine Wallfahrt zu machen. Am liebsten zum Heiligen Jacobus nach Compostela.«
    »Nun, bevor du dich gleich auf den Weg
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