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Was die Tiere im Park erlebten

Was die Tiere im Park erlebten

Titel: Was die Tiere im Park erlebten
Autoren: Colin Dann
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    Langsam wurde es Zeit für die Tiere des Farthing-Waldes, sich auf den ersten Winter im Hirschpark einzurichten. Freundschaft und Gemeinschaftsgeist aus der Zeit ihrer langen Wanderung hatten sie veranlaßt, ihre Behausungen dicht beieinander zu errichten. So war diese Gegend des Hirschparkes für sie schon fast zu einem neuen Farthing-Wald geworden, und jedes Tier hatte hier die Lebensbedingungen gefunden, die es brauchte.
    Mitten in diesem Gebiet lag der Tiefe Grund, jene Kuhle, die am Tag ihrer Ankunft im Naturpark ihr Versammlungsort gewesen und es seither geblieben war. In den Herbstmonaten trafen sie sich immer seltener, und als dann die Abende kühler wurden, fühlten die Kreuzotter und die Kröte, daß es Zeit für sie wurde, sich für den Winter einen Platz unter der Erde zu suchen.
    Erst spät im Oktober gab die Kreuzotter es endlich auf, am Rande des Teiches der Eßbaren Frösche auf der Lauer zu liegen. So geduldig sie auch gewartet hatte, von Erfolg war ihre Geduld nicht gekrönt gewesen. »Das kühle Wetter macht mich richtig schläfrig«, sagte sie zur Kröte, die sie manchmal traf, wenn diese schwimmen ging.
    »Geht mir genauso«, erwiderte die Kröte. »Ich fresse immerzu, solange es Futter gibt. Aber jetzt habe ich die richtige Bettschwere für ein schönes, langes Nickerchen.«
    »Wo willst du dich verkriechen?« fragte die Kreuzotter. »Ach, hier irgendwo. An diesem Ufer ist der Boden weich. Ich habe ein paar Löcher gefunden, die jemand in früheren Jahren gegraben haben muß.«
    »Hm«, überlegte die Kreuzotter. »Die wären mir gerade recht. Dann würden diese Frösche da den ganzen langen Winter den Vorzug meiner Anwesenheit genießen.«
    Das amüsierte die Kröte. »Ach was, ich glaube nicht, daß die davon etwas merken«, sagte sie. »Sie graben sich doch unten im Schlamm des Teiches ein. Wenn die erst einmal ihren Platz gefunden haben, dann ist die übrige Welt für sie verloren.«
    »Für mich auch«, gestand die Schlange. »Mich interessiert im Augenblick nur eines: schlafen.«
    »Ehem — hast du dich schon von allen verabschiedet?« fragte die Kröte zögernd.
    »Verabschiedet? Quatsch!« zischelte die Kreuzotter. »Wenn ich da bin, sucht auch keiner meine Gesellschaft, also werden sie mich wohl kaum vermissen, wenn ich nicht da bin.« Die Kröte war verlegen. »Ach, ich weiß nicht so recht«, sagte sie schüchtern. »Vielleicht denken die meisten, du bist am liebsten allein.«
    »Bin ich auch!« antwortete die Kreuzotter ein bißchen zu schnell, so als ob sie jeden Zweifel in diesem Punkt zerstreuen wollte. »Aber gegen deine Gesellschaft habe ich nichts, Kröte«, fügte sie dann, im Versuch, höflich zu sein, hinzu.
    »Schönen Dank, Kreuzotter. Hm. wann willst du denn deinen Winterschlaf antreten?«
    »Natürlich sofort. Sinnlos, bei diesen Temperaturen noch weiter über der Erde herumzulungern.«
    »Wenn du bis morgen wartest, dann könnten wir gemeinsam unseren Winterschlaf beginnen«, schlug die Kröte vor. »Laß mir nur noch ein bißchen Zeit, damit ich den Fuchs, den Dachs und vielleicht auch den Waldkauz aufsuchen kann.«
    »Also, ich will hier nicht rumsitzen und mir Frostbeulen holen, während du Anstandsbesuche machst«, antwortete die Kreuzotter ungeduldig. »Ich suche mir heute abend ein Loch.«
    »Gut, gut«, meinte die Kröte. »Wie du willst. Aber ich sehe wirklich nicht, was ein Tag mehr ausmachen würde?«
    Die Kreuzotter gab nach. »Ich mache dir einen Vorschlag«, sagte sie. »Wir suchen uns jetzt ein gemütliches Loch, und dann weißt du ja, wo du mich finden kannst.«
    Die Kröte überlegte. Weiter würde die Kreuzotter in ihren Freundschaftsbezeugungen nicht gehen, also willigte sie schnell ein.
    Als sie für sich den geeignetsten Platz ausgewählt hatte, verschwand die Kreuzotter sofort mit einem hastig gezischelten: »Weck mich bitte nicht auf«, in der Erde. Die Kröte schüttelte mit einem gequälten Lächeln den Kopf und machte sich dann auf, ihre Freunde zu suchen.
    Es dunkelte bereits, als sie den Tiefen Grund erreichte, und ein kalter Wind fuhr durch das Gras. Wäre ich doch nur der Kreuzotter in den Unterschlupf gefolgt, dachte die Kröte. Aber nein, so unfreundlich kann ich nicht sein. In und um den Tiefen Grund rührte sich nichts. Also setzte sich die Kröte ins Gras und vertrieb sich die Langeweile damit, daß sie sich von Zeit zu Zeit einen verirrten Käfer ins Maul schnellte. Und dann trabte eine geisterhafte Gestalt in der Abenddämmerung
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