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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
Autoren: Robert Gernhardt
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»Kinder, wie die Zeit vergeht!«
    Fragment einer zeitkritischen Revue
    CHOR:
    Kinder, wie die Zeit vergeht!
    Wie eilig sich die Erde dreht!
    Wie rasch der Bach zum Flusse fließt!
    Wie schnell sich der ins Meer ergießt!
    Wir alle finden keine Ruh -
    Schnabbeldibabbeldibabdiduu!
    VORSINGER:
    Wie spricht der Papst die Heil'gen heilig?
    CHOR:
    Eilig, eilig!
    VORSINGER:
    Und ist ein solches Tun verzeihlich?
    CHOR:
    Freilich, freilich!
    ALLE:
    Denn Tempo, Tempo
    ist das Gebot -
    wer nicht hastet und hetzt,
    der gilt schon als tot!
    Bei den letzten Worten tritt ein als Direktor verkleideter Schauspieler auf die Bühne.
    DIREKTOR:
    Verflucht, daß ich nur diesen Chor fand!
    Ich suche dringend meinen Vorstand!
    Denn heute winkt mir ein Geschäft,
    und wenn der Vorstand jetzt verschläft,
    dann gehen Geld und Zinsen
    in die Binsen.
    CHOR:
    In die Binsen!
    Von rechts kommt der Vorstand unausgeschlafen und unrasiert auf die Bühne. Einige Herren ziehen sich noch während des Auftritts an.
    DIREKTOR:
    Na, ein bißchen dalli, dalli, meine Herren!
    Oder glauben Sie etwa, daß ich meine Zeit
    gestohlen habe?
    VORSTANDSVORSITZENDER:
    Ja!
    DIREKTOR:
    Meine Herr'n, das wollt ich wissen.
    Nun sind Sie alle rausgeschmissen!
    Der Vorstand tritt unter allen Anzeichen des Entsetzens ab.
    VORSTANDSVORSITZENDER:
    Mitleid, Herr Direktor bitte!
    Mitleid lenke deine Schritte!
    Meine Worte tun mir leid,
    schuld dran war die Müdigkeit -
    gestern blieb ich lange wach,
    sah in den Karteien nach,
    korrigierte die Bestände
    und erwarb ein Schießgelände…
    DIREKTOR:
    Ein Schießgelände – wo?
    VORSTANDSVORSITZENDER:
    Direkt am Berner Zoo!
    DIREKTOR:
    Na Mensch, das ist ja prima,
    ich muß sofort nach Lima,
    denn grad um dies Gelände
    bemühn sich viele Hände.
    In ihm verbirgt sich, wie ich weiß,
    eine Quelle, die ist heiß.
    Jetzt fehlt es nur an Rohren,
    die gibt es in Peru,
    und dann gehn wir ans Bohren.
    CHOR:
    Schnabbeldibabbeldibabdiduu!

    Soweit das Fragment. Kurz sei noch der Fortgang der Handlung skizziert: Der Direktor fliegt mit seinem Vorstand nach Peru, wo seine unruhige Art den Peruanern jedoch derart auf die Nerven geht, daß sie die Verhandlungen um das Röhrengeschäft abbrechen und schreiend aus dem Zimmer laufen. Das Rennen macht denn auch der Konkurrent des Direktors, der sicher nicht zufällig Mr. A. Usgeglichen heißt.
    Verbittert versucht der Direktor, es seinem Konkurrenten gleichzutun, ja, ihn an Ruhe und Ausgeglichenheit noch zu übertreffen. Diesen Vorsatz setzt er jedoch mit einem solchen Lärm in die Tat um, daß der Vorstand beschließt, den Direktor durch eine Gewaltkur zu heilen. Die Vorstandsmitglieder verkleiden sich als Hausiererweiblein und klingeln an der Tür des Direktors, um ihm einen Sack voll Ruhe zu verkaufen. Der Direktor fällt auf den Schwindel herein und tauscht sein Stammkapital an der Firma gegen den Sack ein. Als er ihn öffnet, ist er – leer. Darauf geben sich die Hausiererweiblein zu erkennen und entlassen den Direktor. Der jedoch fühlt sich das erste Mal in seinem Leben sorgenfrei und ausgeglichen und stimmt lachend in den Schlußchor mit ein: »Ruhe kann man sich nicht kaufen, darauf laßt uns einen schlucken!« In den Schlußwirbel mischt sich auch Mr. A. Usgeglichen, der sich als ein Herr Deus aus Machina entpuppt.

Wunsch und Wirklichkeit
    Man müßte doch, man sollte mal,
    zum Beispiel durch den Sitzungssaal
    ganz pudelnackt, wie Gott uns schuf,
    hindurchzieh'n und dann mit dem Ruf
    »Jetzt ist's uns gleich! Jetzt ist's egal!« -
    Man sollte doch, man müßte mal…
    Man sollte doch, man müßte jetzt,
    ist erst das Schamgefühl verletzt,
    dann könnt' man doch, ich mein', es wär'
    schön, wenn wer schriee: »Weiber her!
    Sonst sind wir unglaublich vergrätzt!« -
    Man müßte mal, man sollte jetzt…
    Man müßte doch, man sollte gleich,
    und, wenn sie dann so pfirsichweich,
    so ganz erwartend vor uns steh'n,
    dann brüll'n: »Laßt ihr euch wieder geh'n?
    Tut Buße! Dirnen! Auf die Knie!«
    Man müßte mal – und tut's doch nie…

Zoo-Impressionen
    Wie traurig dieser Wolf
    in dem Gehege!
    Wie schrecklich,
    daß er steht!
    Wie furchtbar,
    wenn er läge!
    Erdmännchen huschen
    durch die Nacht,
    mit schrillem Schrei
    gen Osten.
    Unstete Fahrt,
    gebt acht, gebt acht,
    gleich rauscht ihr
    an den Pfosten!
    Verrat, Verrat,
    ein Loch im Draht!
    Und da schon wieder eines!
    Zur Hilf! Herbei!
    Gleich sind sie frei,
    die Graugans und ihr Kleines!
    Am Pferch steht »Zebu«.
    In dem
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