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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman
Autoren: Ulf Schiewe
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Krieg angelangt waren, begann man, darüber zu streiten, was denn ein gerechter Krieg sei.
    »Gerecht ist, sein Land zu verteidigen, seine Familie und sein Hab und Gut«, behauptete Severin.
    »Und die Schwachen zu schützen«, fügte Aimar scheu hinzu.
    Damit waren alle einverstanden, doch Joris und besonders die jüngeren Männer vertraten dann die Ansicht, dass auch Krieg gegen die Ungläubigen gerechtfertigt sei, ja sogar eine Pflicht der Christenheit bedeute. Viele meldeten sich in diesen Tagen wieder freiwillig als
miles christi,
um den Kampf der christlichen Heere in Outremer zu unterstützen.
    »Christenpflicht?«, fragte ich. »Jeder gute Mensch sollte sich schämen, was dort im Namen Christi geschehen ist«, knurrte ich.
    »Oder im Namen Allahs«, fügte Hamid hinzu. Alle sahen ihn erstaunt an. Sie hatten längst vergessen, dass er Moslem war.
    »Lauter Lügen, mit denen man die Massen aufgestachelt hat, und ich war ein Narr, mich daran zu beteiligen.«
    Sie verführen immer noch die Jugend mit ihrem Gift, dachte ich erbittert. Das Schlimme ist, dass wir damals erfolgreich waren. Solange sie mit Gottes Sieg prahlen können, wird dieser Krieg im Osten niemals enden. »Ist es denn die Botschaft Jesu, dass wir Andersgläubige umbringen und uns dabei wie Bestien verhalten?«
    Auf meine Worte schwiegen alle bestürzt, und der Krug machte die Runde, um die Becher aufzufüllen.
    »Es steht geschrieben, Gott habe den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen«, meinte Hamid mit einem bitteren Lächeln auf den Lippen. »Ich frage mich nur, ob es nicht eher der Mensch ist, der Gottes Antlitz so verzerrt, bis daraus die eigene mörderische Fratze wird.«
    »Aber Jerusalem, die heilige Stadt«, warf Aimar ein. »Das war doch gewiss die Mühe wert!«
    »Was soll denn ein Jerusalem wert sein?«, knurrte ich. »Nichts als ein Haufen Steine, nur eine verdammte Stadt! Dort wird gearbeitet, gehandelt, betrogen, geliebt und gelacht wie anderswo auch. Ich habe nichts Heiliges gesehen.«
    Die Männer in der Runde wussten nicht recht, was sie dazu sagen sollten.
    »Ihr seid immer noch verbittert«, seufzte Jacobus in die vorübergehende Stille hinein. Er nickte mir und Hamid freundlich zu. »Ich weiß, ihr habt beide Schlimmes erlebt und vielleicht auch selbst einiges dazu beigetragen. Aber dieser Krieg ist für euch schon lange vorbei. Nun ist es an der Zeit, zu verzeihen. Anderen wie euch selbst.«
    Er trank einen Schluck und lächelte sanft. Unser weiser Jacobus, der einem immer ins Herz schaut. »Und wenn ihr schon glaubt«, fügte er hinzu, »der Mensch bestimme das Antlitz des Herrn, dann folgt daraus, ihr müsst auch eurem Gott vergeben.«
    Daraufhin lachten wir mit ihm und tranken die Becher aus. Vergeben? Vielleicht. Vergessen, ganz sicher nicht. Zumindest war es gut, dass mich seit Jahren kein Alptraum mehr plagte.
    Wir waren gerade dabei, die Tafel aufzuheben, als ein Wachmann in die
aula
trat. »Da ist ein fremder
cavalier,
Castelan,
auf dem Weg zur Burg herauf.«
    »Mit Gefolge?«
    »Nein, Herr. Ganz allein.«
    Verwundert stiegen wir in den Burghof hinab, um ihn in Empfang zu nehmen. Kaum waren wir in der Vorburg angelangt, als ein Reiter durchs Tor ritt, hinter sich ein Maultier mit Gepäck beladen. Ich sah sofort, dass er einen ausgezeichneten Arabergaul ritt, und seine Waffen waren von erster Güte, auch häufig in Gebrauch gewesen, wie es schien. Der Mann hatte eine gebrochene Nase und eine Narbe auf der Stirn. Als er aus dem Sattel gestiegen war, merkte man, dass er ein wenig das Bein nachzog, trotzdem hatte er fast etwas Herrisches in seinem Auftreten. Dies war ein kampferprobter Ritter, wenn ich jemals einen gesehen hatte, noch so ein Veteran aus Outremer und etwa so alt wie ich damals, als ich aus dem Osten heimgekommen war. Und dann stutzte ich, denn da war etwas an ihm, das mir bekannt vorkam. Die hochgewachsene, schlanke Gestalt, das schmale, offene Gesicht und die dunklen Haarsträhnen, die ihm in die Stirn fielen.
    Nein! Konnte es denn wahr sein?
    Ich krallte meine Finger in Hamids Ärmel.
    »Raol«, flüsterte ich fassungslos. »Es ist Raol.«
    »Vater«, antwortete dieser mit einer Stimme weit tiefer, als ich sie in Erinnerung behalten hatte, und stand doch plötzlich verlegen wie ein Junge vor mir. »Verzeih mir, aber ich konnte nicht früher kommen.«
    Per Dieu,
was für eine lächerliche Begrüßung nach einundzwanzig Jahren Abwesenheit! Aber was soll’s, nun war kein Halten mehr, und ich warf mit
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