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Delphi sehen und sterben

Delphi sehen und sterben

Titel: Delphi sehen und sterben
Autoren: Lindsey Davis
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verlassen.«
    »Na toll!« Ich schenkte ihm ein schiefes Lächeln. »Ich bin ganz versessen darauf, in eine Ermittlung hineingezogen zu werden, bei der mein Klient gerade auf die schwarze Liste der Administration gesetzt worden ist.«
    »Hast du denn einen Klienten?«, fragte Helena, obwohl ihr Blick mir sagte, dass sie die Antwort erraten hatte.
    »In diesem Stadium noch nicht«, erwiderte ich, ohne zu blinzeln.
    »Was hat Sie nun eigentlich zu mir geführt?«, fragte Caesius mit zusammengezogenen Brauen.
    »Eine mögliche Entwicklung. Vor kurzem ist eine weitere junge Frau unter verdächtigen Umständen in Olympia gestorben. Mein Assistent Camillus Aelianus wurde gebeten, Nachforschungen anzustellen …« Das war leicht übertrieben. Er war nur neugierig. »Ich habe Sie befragt, weil das Schicksal Ihrer Tochter in Zusammenhang mit diesem neuesten Todesfall stehen könnte. Ich möchte eine neutrale Neubewertung vornehmen.«
    »Ich habe in Griechenland die richtigen Fragen gestellt!« Besessen von seiner eigenen Misere, ließ Caesius erkennen, wie verzweifelt er war. Er hatte kaum wahrgenommen, was ich über diesen neuen Todesfall gesagt hatte, wollte sich seine Überzeugung nicht rauben lassen, für seine Tochter alles getan zu haben. »Glauben Sie etwa, die Antworten würden anders ausfallen, wenn ein anderer die Fragen stellt?«
    Ich glaubte jedenfalls, dass inzwischen jeder Verdächtige seine Geschichte feinst abgestimmt hatte. Meine Chancen standen äußerst schlecht. Der Fall war längst erkaltet, und der nörgelnde Vater lag mit seinen wilden Theorien möglicherweise vollkommen daneben. Selbst wenn tatsächlich ein Verbrechen geschehen war, hatten die Täter im ersten Fall drei Jahre Zeit gehabt, jeden Beweis zu vernichten, und kannten beim zweiten alle Fragen, die ich stellen würde.
    Es war hoffnungslos. Genau wie die meisten miesen Ermittlungen, auf die ich mich einließ.
    Verspätet reagierte Caesius darauf, dass ein weiteres Mädchen ermordet worden war und eine weitere Familie litt. »Ich muss zu ihnen …«
    »Bitte nicht!«, drängte ich. »Bitte überlassen Sie das mir.«
    Er würde den Rat nicht beherzigen, das war deutlich zu erkennen. Caesius Secundus wurde von der Hoffnung befeuert, dass ein weiterer Mord – wenn es denn wirklich einer gewesen war – weitere Hinweise, weitere Fehler oder konfuse Geschichten und vielleicht eine neue Chance ergeben würde.
     
    III
    Der Sarg von Marcella Caesia stand in einem dunklen Nebenraum. Der Deckel wurde mühsam mit einem Stemmeisen geöffnet. Der mürrische Sklave, der die gebogenen Bleiecken hochdrückte, hielt mich eindeutig für einen weiteren gefühllosen Betrüger, der sich am Leid seines Herrn weidete.
    Erwarten Sie nicht, dass ich mich über den Inhalt verbreite. Das tote Mädchen war auf dem Hügel zwölf Monate lang von der Sonne ausgebleicht worden, und Tiere hatten sich über sie hergemacht. Da lagen viele kleine Knochen und ein paar Stofffetzen. Die Überreste einzusammeln musste schwierig gewesen sein. Danach hatte der Sarg eine Seereise hinter sich gebracht. Wenn Sie jemals eine Leiche in diesem Zustand gesehen haben, wissen Sie, wie das ist. Wenn nicht, seien Sie dankbar.
    »In welcher Stellung lag die Leiche, Caesius? Konnten Sie das erkennen?«
    »Ich weiß es nicht. Ich glaube, sie lag auf dem Rücken. Aber das ist nur ein Gefühl. Alles war weit verstreut.«
    »Gab es Anzeichen, dass sie vergraben worden war? Konnten Sie ein flaches Grab erkennen?«
    »Nein.«
    Unter dem grimmigen Blick von Caesius Secundus stand ich die Sache durch, ging um den Sarg herum, betrachtete ihn aus jedem Blickwinkel. Ich entdeckte nichts Hilfreiches. Aus Schicklichkeit ließ ich mir Zeit und schüttelte dann den Kopf. Ich bemühte mich, Ehrerbietung zu zeigen, was mir wahrscheinlich nicht gelang. Dann ließ ich Caesius mit zum Gebet erhobenen Armen zurück, während die Überreste seiner Tochter von dem schmallippigen Sklaven wieder verschlossen wurden, wobei er den verbogenen Bleideckel regelrecht zuhämmern musste.
    Eines kam dabei für mich heraus: Meine Neugier verwandelte sich in eine wesentlich unnachgiebigere Stimmung.
     
    In dieser wütenden Gemütsverfassung wandte ich mich dem neuen Fall zu, dem zweiten römischen Mädchen, das in Olympia gestorben war. Ich begann meine Nachforschungen über sie in Rom.
    Aulus hatte ein paar Fakten mitgeteilt. Dieses Opfer hieß Valeria Ventidia. Mit neunzehn hatte sie Tullius Statianus geheiratet, den
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