Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tag der Dissonanz

Der Tag der Dissonanz

Titel: Der Tag der Dissonanz
Autoren: Alan Dean Foster
Vom Netzwerk:
I
    »Ich sterbe«, schnaufte Clodsahamp. Der Hexer blickte nach links. »Ich sterbe, und du gaffst nur in der Gegend herum wie ein unschuldiger Jüngling, der plötzlich entdeckt, daß das unbekannte Mädchen, mit dem er sich verabredet hat, eine berühmte Kurtisane ist. Bei deiner Art von Hilfe werde ich meinen dreihundertsten Geburtstag nie erleben.«
    »Bei Ihrer Einstellung ist es ein Wunder, daß Sie überhaupt so alt geworden sind.« Jon-Tom war ziemlich wütend auf seinen Mentor. »Hören Sie sich doch an: zwei Wochen ununterbrochen Gejammer und Gegreine. Wissen Sie, was Sie sind, Sie Schildkröte mit dem Gebaren eines Hexers? Sie sind ein verdammter Hypochonder.«
    Clodsahamps Gesicht gestattete ihm kein echtes Stirnrunzeln, doch musterte er den hochgewachsenen jungen Menschen vorsichtig. »Was ist das? Es hört sich entfernt nach einem Schimpfwort an. Spiel nicht mit mir, Junge, sonst muß ich dich hart anfassen! Was ist es? Irgendein magisches Wort aus deiner Heimatwelt?«
    »Eher ein medizinischer Begriff, keine Drohung. Er bezeichnet jemanden, der sich ständig für krank hält, obwohl er es gar nicht ist.«
    »Aha, ich bilde mir also bloß ein, daß mir der Schädel platzt, wie? Willst du das sagen?« Jon-Tom widerstand dem Drang, etwas zu erwidern, und ließ sein mehr als einsachtzig großes Knochengerüst neben dem Kissenberg nieder, der dem alten Schildkröterich als Bett diente.
    Er staunte nicht zum ersten Mal darüber, wie viele geräumige Zimmer die alte Eiche beherbergte. In dem einzelnen Stamm gab es mehr Alkoven und Tunnel als in einem Termitenhügel.
    Er mußte freilich zugeben, daß der alte Hexer trotz seiner allzu melodramatischen Seufzer und Klagen tatsächlich nicht ganz auf der Höhe zu sein schien. Sein Brustpanzer hatte den normalen gesunden Schimmer eingebüßt, und die alten Augen hinter der Großvaterbrille waren rot von den Tränen des Schmerzes. Wenn er sich mit seinen meisterlichen Pulvern und Zaubern nicht selbst kurieren konnte, mußte er wirklich sehr krank sein.
    »Ich weiß wenigstens, was ich bin«, fuhr Clodsahamp fort, »aber du? Du bist mir ein feiner Bannsänger geworden!«
    »Ich lerne schließlich noch«, verteidigte sich Jon-Tom. Er befingerte die Duar, die er über die Schulter geschlungen trug. Das seltsame Instrument versetzte ihn in die Lage, Zauber zu singen, mittels Banngesang Magie auszuüben. Eigentlich sollte dies für einen jungen Rockgitarristen und Jurastudenten eine geradezu traumhafte Erfahrung sein doch leider besaß er nicht allzuviel Kontrolle über die Magie, die er erzeugte.
    Seit Clodsahamp von seinen Schmerzen heimgesucht wurde, hatte Jon-Tom zwei Dutzend Gesänge zum besten gegeben, die von Gesundheit und Wohlbefinden handelten. Doch keiner davon hatte auch nur die leiseste Wirkung gezeitigt, mit Ausnahme seiner lebhaften Wiedergabe des alten Beach Boys- Titels ›Good Vibrations‹ . Dieser Banngesang hatte dazu geführt, daß Clodsahamp unkontrolliert kicherte, Pulver und Elexiere verschüttete und seine Brille zerbrach.
    Nach dieser schmachvollen Niederlage hatte Jon-Tom die Finger von der Duar gelassen und keine weiteren Versuche unternommen, den Hexer zu heilen.
    »Ich wollte damit ja gar nicht sagen, daß Sie alles nur vortäuschen«, fügte er entschuldigend hinzu. »Ich bin nur genauso ratlos wie Sie.«
    Clodsahamp nickte; sein Atem kam in kurzen mühsamen Zügen. Seine Atembeschwerden waren die Folge ständiger Schmerzen und allgemeiner Schwäche.
    »Ich habe getan, was ich konnte«, murmelte Jon-Tom.
    »Das weiß ich, mein Junge, das weiß ich. Wie du schon sagtest: Du mußt noch viel lernen, viele Fertigkeiten erst noch meistern.«
    »Ich stümpere mich eben einfach so durch. Die Hälfte der Zeit suche ich die falschen Songs aus, und die andere Hälfte der Zeit führt zu den falschen Ergebnissen. Was soll ich noch tun?«
    Clodsahamp blickte ihn scharf an. »Ich habe noch eine Chance, mein Junge. Es gibt eine Medizin, die meine Krankheit heilen kann. Kein Zauber, keine Magie. Eine richtige Medizin.«
    Jon-Tom erhob sich vom Rand des Kissenbergs. »Ich schätze, ich mache mich jetzt wohl besser wieder auf den Weg. Ich habe heute noch nicht geübt, und ich muß unbedingt...«
    Clodsahamp stöhnte schmerzerfüllt, und Jon-Tom hielt zögernd inne. Vielleicht war es ein echtes Stöhnen, vielleicht auch nicht - auf jeden Fall zeitigte es den erwünschten Erfolg.
    »Du mußt mir diese Medizin beschaffen, mein Junge. Es gibt niemanden, dem ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher