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Delphi sehen und sterben

Delphi sehen und sterben

Titel: Delphi sehen und sterben
Autoren: Lindsey Davis
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Valerias Tod eindeutig beiseite – genau wie es laut Caesius’ Ansicht alle mit dem seiner Tochter getan hatten. Ihr Sohn hatte hingegen überlebt, seinen beiden Brüdern ging es gut, und die Tullii wollten einfach mit ihrem Leben fortfahren.
    »Gibt es eine Möglichkeit, die Briefe zu sehen, die Statianus geschrieben hat?«, wollte Helena wissen.
    »O nein, nein, nein. Ich habe sie nicht mehr.«
    »Eine Familie, die nichts von Andenken hält?« Helena konnte ihren Sarkasmus kaum verbergen.
    »Nun ja, ich habe Erinnerungsstücke aus der Kindheit all meiner Söhne – ihre ersten winzigen Sandalen, Kinderbecher, aus denen sie ihre Brühe tranken, aber nichts sonst. Wir heben keine Briefe über Tragödien auf.« Tullias Gesicht verdüsterte sich. »Sie sind fort«, sagte sie beinahe flehend. »Ich kann den Kummer des anderen Vaters verstehen. Es tut uns allen sehr leid, sowohl für ihn als auch für uns. Natürlich tut es das. Valeria war so ein liebes Mädchen …« Meinte sie das ehrlich, oder war sie bloß höflich? »Aber jetzt ist sie von uns gegangen, und wir müssen uns alle wieder beruhigen.«
    Vielleicht hatte sie recht. Nach dem Gespräch beschlossen Helena und ich, dass es keinen Zweck hatte, den Tullii weiter zuzusetzen. Vermutlich hatten wir in Tullias letzter Aussage die Ansicht ihres Mannes vernommen: »… ist sie von uns gegangen, und wir müssen uns alle wieder beruhigen.« Zwei Monate nach einem Todesfall war das nicht besonders herzlos, nicht von Schwiegereltern, die das Mädchen kaum gekannt hatten.
    »Hat überhaupt jemand Valeria gekannt?«, fragte mich Helena nachdenklich. »Sie wirklich gekannt?«
    Ich hielt Statianus ebenfalls für ein Rätsel. Wie nichtssagend die Ausreden auch waren, ich fand es immer noch unglaublich, dass er seine frisch Angetraute verlor und trotzdem die Reise mit einer Gruppe Fremder fortsetzte, als wäre nichts geschehen.
    »Die Tour durch Griechenland war als Hochzeitsreise gedacht«, stimmte Helena zu. »Wenn aber die Ehe beendet war, wozu die Reise dann noch fortsetzen?«
    »Weil sie bezahlt war?«
    »
Meine
Eltern würden das Geld zurückverlangen!« Sie verzog das Gesicht und fügte dann brutal hinzu: »Oder Papa würde rasch für eine neue Partie sorgen und dann für eine Wiederholung der Tour mit Ehefrau Nummer zwei.«
    Ich machte bei der Satire mit. »Direkt von Rom aus oder von dem Ort, wo die erste Braut abhandengekommen ist?«
    »Natürlich von Olympia aus. Der Bräutigam muss ja nicht noch mal die Orte sehen, die schon abgehakt sind!«
    Ich grinste. »Und
mich
hält man für ungehobelt.«
    »Realistisch«, konterte Helena. »Die Reise muss die Tullii eine Menge gekostet haben, Marcus.«
    Ich nickte. Sie hatte recht. Morgen würde ich mit den Agenten sprechen, die dieses teure Paket geschnürt hatten.
     
    IV
    Ich trug die Toga, die ich von meinem Bruder geerbt hatte. Ich wollte wohlhabend aussehen, aber überhitzt und ausgelaugt. Ich behängte mich mit Schmuck, den ich für Gelegenheiten aufhebe, bei denen ich mich als ungeschlachter Neureicher ausgebe – einen torquesförmigen Armreif und einen großen Ring mit einem roten Stein, geschliffen als Abbild eines Mannes mit griechischem Helm. Beides stammte von einem Stand in den Saepta Julia, der darauf spezialisiert war, Idioten auszustatten. Auf Hochglanz poliert, sah es fast wie echtes Gold aus – aber nicht so echt wie mein schlichter Goldring, welcher der Welt verkündete, dass ich tatsächlich ein neues Mitglied des mittleren Ranges war. Vespasian hatte mich dazu beschwatzt, den Rang eines Ritters anzunehmen – also war ich
wirklich
leicht zu übertölpeln.
    Neben dem antiken Forum Romanum liegt das moderne Forum des Julius, daneben das Forum des Augustus, und danach kommt man in das berüchtigte Viertel, das einst Subura hieß. Angeblich lebte Caesar hier, falls er sich gerade nicht mit der minderjährigen Kleopatra im Bett wälzte oder Gallien zerstückelte. Der legendäre Julius hatte einen halbseidenen Geschmack. Wenn er in der Subura wohnte, konnte er von Glück sagen, die Iden des März überlebt zu haben, glauben Sie mir.
    Diese gefährliche Drecksgegend war jetzt in den Alta-Semita-Bezirk umbenannt worden, wobei sich wenig verändert hatte. Selbst ich hätte in meiner Junggesellenzeit vor einer Wohnung in Alta Semita haltgemacht. Man stirbt nur einmal und möchte davor ja auch ein wenig leben.
    Hier befand sich das Reisebüro von Sieben Stätten – nicht allzu weit entfernt von der
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