Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delphi sehen und sterben

Delphi sehen und sterben

Titel: Delphi sehen und sterben
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
erklärt. Er sagte, die anderen aus der Reisegruppe würden ihn trösten. Er will bei seinen neuen Freunden bleiben. Sonst müsste er völlig allein nach Rom zurückreisen, wo er doch so aufgewühlt und unglücklich ist …«
    Ich unterbrach sie, wenig überzeugt. »Was sagt er denn über den Todesfall?«
    Wieder blickte die Mutter beklommen. Sie war intelligent genug zu wissen, dass wir die Fakten auch auf andere Weise erfahren konnten, also spuckte sie es aus. »Valeria wurde eines Morgens tot vor der Unterkunft gefunden.« Da ich Statianus bereits nicht ausstehen konnte, fragte ich mich, welcher frischgebackene Ehemann wohl eine ganze Nacht getrennt von seiner Braut verbringt, ohne Alarm zu schlagen. Vielleicht einer, der einen Streit mit ihr hatte?
    »Gab es irgendwelche Überlegungen, wer so etwas getan haben könnte?« Helena übernahm, bevor ich die Geduld verlor.
    »Anscheinend nicht.« Die Mutter von Statianus kam mir etwas zu verschlossen vor.
    »Zweifellos haben die örtlichen Behörden gründlich ermittelt?«
    »Eine Frau aus der Gruppe wandte sich an einen Magistrat. Machte eine Menge Theater.« Tullia schien diesen vernünftigen Schritt für übereifrig zu halten. Dann erfuhren wir auch, wieso: »Statianus fand die Ermittlung schwer zu verkraften. Der Magistrat hatte etwas gegen ihn. Es hieß, mein Sohn müsse etwas mit dem zu tun haben, was mit Valeria passiert ist – dass sie sich vielleicht gestritten hätten – dass sie entweder das Interesse an ihm verloren oder sein Verhalten sie von ihm fortgetrieben hätte …«
    Die Mutter hatte zu viel gesagt und wusste das. Helena bemerkte: »Man kann sich vorstellen, wie es zu einem Bruch zwischen einem frisch verheirateten Paar kommt, junge Leute, die sich vorher kaum gekannt haben und nun unter der Belastung des Reisens stehen …«
    Ich warf eine Frage ein. »War es eine arrangierte Eheschließung?« Alle Ehen werden von jemandem arrangiert, sogar unsere, insofern als wir zwei einfach beschlossen hatten zusammenzuleben. »Kannte sich das Paar vorher? Waren sie seit ihrer Kindheit befreundet?«
    »Nein. Sie hatten sich als Erwachsene mehrmals getroffen und waren einverstanden, die Partnerschaft einzugehen.«
    »Wie lange liegt die Hochzeit zurück?«
    »Nur vier Monate …« Tullia wischte eine unsichtbare Träne weg. Wenigstens hatte sie sich diesmal die Mühe gemacht.
    »Valeria war neunzehn. Und Ihr Sohn?«, drängte ich.
    »Fünf Jahre älter.«
    »Und wer hat die Sache für Valeria arrangiert? Hatte sie Familie?«
    »Einen Vormund. Ihre Eltern sind beide tot.«
    »Ist sie eine Erbin?«
    »Nun ja, sie hat – hatte – ein wenig Geld, aber um ehrlich zu sein, für uns war es eine Art Abstieg.« Also hatten die Tullii nur eine kleine Mitgift eingesackt. Geld schien daher ein unwahrscheinliches Motiv für die Ermordung Valerias zu sein.
    Ich fragte nach Einzelheiten über Valerias Vormund und bekam sie zu meinem Erstaunen auch. Doch es brachte uns nicht weiter. Es handelte sich um einen bejahrten Großonkel, der auf Sizilien lebte und nicht mal zur Hochzeit gekommen war. Valeria zu verheiraten schien nur eine Pflichtaufgabe gewesen zu sein.
    »Sie standen sich nicht nahe«, erzählte uns Tullia. »Ich glaube, sie hatten sich nicht mehr gesehen, seit Valeria ein kleines Kind war. Trotzdem nehme ich an, dass ihr Großonkel untröstlich ist.«
    »Ihr Sohn nicht?«, fragte ich kühl.
    »Natürlich ist er das!«, rief Tullia Longina empört. »Selbst der Magistrat konnte schließlich erkennen, dass Statianus unschuldig ist. Die ganze Gruppe wurde entlastet und durfte die Reise fortsetzen.«
    »Was ist mit Valerias Leiche geschehen?«
    »In Olympia wurde eine Bestattungsfeier abgehalten.«
    »Einäscherung?«
    »Selbstverständlich.« Tullia blickte mich erstaunt an. Den Göttern sei Dank. Das bewahrte mich davor, an weiteren Knochen herumzuschnüffeln.
    Helena bewegte sich leicht, um die Spannung zu mindern. »Wie haben Sie reagiert, als Caesius Secundus kam und Ihnen erzählte, dass
seiner
Tochter etwas Ähnliches zugestoßen ist?«
    »Oh, die Umstände waren
ganz
andere!« Nach den begrenzten Informationen, die wir hatten, konnte ich das nicht erkennen. Caesius hatte keine Ahnung, wie seine Tochter gestorben war. Entweder wussten die Tullii mehr über Valeria, als sie zugaben, oder sie waren entschlossen, die Sache als »Unfall« abzutun, obwohl Aulus geschrieben hatte, dass es in Olympia keinen Zweifel an ihrer Ermordung gab. Die Tullii wischten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher