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Deine Steuern sollst du zahlen (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)

Deine Steuern sollst du zahlen (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)

Titel: Deine Steuern sollst du zahlen (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
Autoren: Ursula Reist
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Lift des Telli-Hochhauses einen hohen Beamten tot aufgefunden, mit einer Pistole in der Hand. Könnte Selbstmord sein, aber eigentlich haben die Leute in der Verwaltung ja nicht genug Sorgen, um sich umzubringen, hehe. Ich befrage gerade die Leute, die ihn gefunden haben, und ich bin froh, wenn du so rasch wie möglich kommst und dir ein Bild machst. Zweites Untergeschoss im Parkhaus, danke, tschüss.“
    Sein Chef sollte sich die Sache ansehen, aber vor allem das tun, wofür er bezahlt wurde: Entscheidungen treffen, die Ermittlungen vorantreiben, die Richtung vorgeben. Pfister ahnte, dass es nicht leicht sein würde, im diskreten Finanzdepartement zu den relevanten Informationen zu kommen, und er überliess dieses schwierige Feld äusserst gerne Nick Baumgarten, dem stellvertretenden Chef der Kriminalpolizei.
    *
    In der Wohnung von Marina Manz war die friedliche Morgenstimmung nach dem Anruf von Pfister verflogen und hatte einer professionellen Sachlichkeit Platz gemacht. Während Nick Baumgarten, Mitte fünfzig und nicht mehr so schlank wie vor zwanzig Jahren, seine Sachen zusammensuchte, servierte ihm seine Freundin Marina einen starken Espresso:
    „Kein Frühstück, nehme ich an?“ Sie lächelte ihn aus verschlafenem Gesicht an. Am Montagmorgen war ihr Kosmetikinstitut geschlossen, und sie konnte sich so viel Zeit lassen wie sie wollte.
    Nick setzte sich zu ihr an den Küchentisch und trank seinen Espresso. „Leider nicht, Liebes. Ich kann Peter Pfister nicht allein lassen mit einem Toten, du weisst ja, dass er sich mit seinem Verhalten den Lebenden gegenüber keine Freunde macht.“ Er stand auf, nahm ihr Gesicht in seine Hände und küsste sie zärtlich auf die Nasenspitze. „Ich melde mich, wenn ich einen Zeitplan habe. Ciao!“ Die Tür fiel hinter ihm zu, und sie hörte, wie er rasch die Treppe hinunter eilte.
    In der zweiten Lebenshälfte und noch immer so viel Vitalität, dachte Marina, und die braucht er vor allem für seinen Beruf. Für Kino- oder Theaterbesuche blieb nicht mehr viel übrig von dieser Energie, das hatte sie in den letzten Jahren erfahren, und mittlerweile liess sie sich davon auch nicht mehr stören, sondern besuchte solche Veranstaltungen allein oder mit Freundinnen. Nick blieb abends lieber zuhause und kochte für sie beide, oder er hörte Musik und schlief dabei ein. Sein Beruf beanspruchte ihn hohem Mass, und ihr ging es im Grunde genau so: ihr kleines, erfolgreiches Unternehmen kam an erster Stelle, dafür setzte sie sich ein mit Leib und Seele. In diesem Sinne waren sie ein ideales Paar, was sie sich gegenseitig auch immer wieder beteuerten, aber manchmal, so wie heute früh, fühlte sie sich im Stich gelassen.
    Ihr Blick glitt zum Fenster hinaus, durch die Blätter der Bäume konnte man den Fluss nur erahnen. Ein Boot nehmen, sich treiben lassen wohin einen das Wasser trägt, die Freiheit geniessen einen Sommer lang – sie schüttelte den Kopf und trank ihren Kaffee aus. Diese Fluchtgedanken waren ihr vertraut, sie tauchten auf, wenn die Verantwortung zu gross wurde, oder wenn Routine sich breit machte, oder wenn es Unstimmigkeiten gab in einer Beziehung. Aktiv werden war das Gegenmittel, und so setzte sie sich an ihren Schreibtisch und schaltete den Laptop ein. Es gab Bestellungen zu machen, die Buchhaltung nachzuführen, Bewerbungen von Berufslernenden zu überprüfen – damit blieb Marina Manz, neunundvierzig Jahre alt, seit Jahren geschieden, erfolgreiche Geschäftsfrau, liiert mit dem stellvertretenden Chef der Kriminalpolizei Aargau, auf dem Boden der Realität.
    *
    Die Realität des Todes war kaum mehr greifbar, als Nick Baumgarten am Ort des Geschehens eintraf. Drei Kollegen des kriminaltechnischen Dienstes, der Fotograf, der Amtsarzt und Peter Pfister drängten sich um den Lift und versuchten so gut es ging ihre Arbeit zu tun, ohne einander auf die Füsse zu treten.
    „Sieht nach Selbstmord aus, Chef, auch wenn man nie sicher sein kann“, sagte Pfister, als Nick zu den Kollegen trat. „Du kannst dir ja selbst ein Bild machen. Die Pistole ist in seiner linken Hand, und ich habe herausgefunden, dass er Linkshänder war.“ Stolz blickte er seinen Vorgesetzten an und wartete auf dessen Reaktion.
    „Gut gemacht, Peter“, sagte Nick abwesend, trat einen Schritt zurück und schaute sich die Szene genau an. Der Tote sass oder lag halb angelehnt an der Rückwand des Lifts, und rundherum war nur noch Blut, Blut, Blut. Der Geruch traf Nick wie ein Schlag in den Magen, er
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