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Deine Steuern sollst du zahlen (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)

Deine Steuern sollst du zahlen (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)

Titel: Deine Steuern sollst du zahlen (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
Autoren: Ursula Reist
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musste sich für einen Moment abwenden.
    „Er ist seit mindestens 24 Stunden tot, eher länger“, sagte der Arzt, der neben der Leiche kniete, „und weil die Luft im Lift ziemlich warm ist, riecht er nicht mehr ganz taufrisch.“ Er reichte Nick eine Mundschutzmaske und lächelte schief. „ Man gewöhnt sich nie daran, nicht wahr? Er ist in der Nacht von Samstag auf Sonntag gestorben, und mit grosser Wahrscheinlichkeit war der Schuss in den Kopf die Todesursache. Es sieht nach Selbstmord aus, er hat Spuren an der linken Hand, aber ganz sicher sind wir erst nach der Obduktion.“ Er erhob sich und zog seine Handschuhe aus. „Ich nehme an, Sie wollen sich das Ganze noch etwas ansehen. Rufen Sie mich an wenn Sie fertig sind, dann lasse ich ihn nach Bern in die Rechtsmedizin bringen. Einen schönen Tag noch.“
    *
    „Bitte setzen Sie sich, Herr Baumgarten.“ Generalsekretärin König wies auf eine bequem aussehende Polstergruppe in schwarzem Leder und setzte sich. „Was für ein schrecklicher Montagmorgen für uns alle.“ Sie war bleich, sprach jedoch mit klarer Stimme; man erahnte ihre Professionalität trotz der ausserordentlichen Situation.
    „Können Sie mir sagen, was geschehen ist?“
    Nick Baumgarten schüttelte den Kopf. „Wir wissen nur, dass er zwischen Samstag und Sonntag gestorben ist, aber alles andere müssen wir noch herausfinden. Was können Sie mir zur Person des Toten sagen?“
    „Gion Matossi war Sektionsleiter juristische Personen, also der Chef derjenigen Mitarbeiter, die sich mit den Steuern von Unternehmen und anderen Organisationen befassen. Er arbeitete seit mindestens zwanzig Jahren im Finanzdepartement, Genaueres weiss die Abteilung Personal und Organisation. Ich sorge dafür, dass man Ihnen sein Dossier zeigt. Soviel ich weiss war er geschieden und lebte allein, jedenfalls tauchte bei Feiern oder Veranstaltungen nie eine Partnerin auf. Regierungsrat Vögtli könnte Ihnen dazu mehr sagen, aber ich habe ihn noch nicht erreicht, er ist heute in Baden-Württemberg zu Konsultationen unterwegs.“
    „War er ein guter Vorgesetzter und Fachmann? Wie war sein Verhältnis zum Finanzdirektor, zu den anderen Abteilungsleitern und zu seinen Mitarbeitern?“ Nick beobachtete die Reaktion seiner Gesprächspartnerin genau, aber hier stand ihm eine geübte Kommunikatorin gegenüber, die sich vom ersten Schock bereits erholt hatte. Sie strich den engen Rock ihres dunkelblauen Kostüms zurecht und schlug die Beine übereinander.
    „Ich glaube, das müssen Sie mit Regierungsrat Vögtli besprechen, ich bin nicht befugt, solche Auskünfte zu geben. Ich weiss nur, dass Gespräche über eine vorzeitige Pensionierung stattgefunden haben, aber das hing wohl eher mit Matossis Alter als mit seiner Leistung zusammen.“
    Gelogen, dachte Nick, kunstvoll abgelenkt aber trotzdem gelogen. Eine Generalsekretärin weiss genau, was im eigenen Departement läuft, und bei Entscheidungen über Austritte von leitenden Angestellten ist sie auf jeden Fall involviert. Aber sie würde ihm jetzt nichts mehr dazu sagen ohne ihren Chef, und er wollte keine Zeit verlieren.
    „Dann danke ich Ihnen vorerst, Frau König. Bitte informieren Sie mich, sobald Herr Regierungsrat Vögtli Zeit hat für mich; wir sind ja nicht weit weg.“ Er schaute aus dem Fenster des grosszügigen Eckbüros im 19. Stock hinunter auf das Gebäude des Polizeikommandos – klein im Vergleich zum Hochhaus, gleichsam im Schatten des Finanzdepartements. „Noch ein Hinweis, Frau König: schützen Sie die Mitarbeitenden des Steueramts vor der Presse. Nur die Polizei gibt Einzelheiten bekannt, und wir werden die Öffentlichkeitsarbeit mit Ihnen absprechen. Auf Wiedersehen.“
    Sie stand auf und begleitete ihn zur Tür. „Auf Wiedersehen, Herr Baumgarten. Sie finden den Weg zum Lift?“ Und schon war sie verschwunden.
    Im Lift nach unten studierte Nick ihre Visitenkarte: eine Menge Buchstaben hinter ihrem Namen, LLM, LSE, die für ihn nichts bedeuteten. Seine junge Mitarbeiterin, Angela Kaufmann, würde ihn aufklären können. Frau Generalsekretärin König war jedenfalls eine nicht zu unterschätzende Person, schön, blond und intelligent; sie würde in erster Linie ihre Organisation beschützen und nur soviel preisgeben wie sie wollte. In dieser Hinsicht war sie genauso professionell wie er, und irgendwie freute er sich auf die unvermeidlichen Konflikte mit ihr.
    *
    „Das ist ein Pulverfass, Nick, und wir müssen höllisch aufpassen, dass wir keine Funken
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