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Dein Ende wird dunkel sein (German Edition)

Dein Ende wird dunkel sein (German Edition)

Titel: Dein Ende wird dunkel sein (German Edition)
Autoren: Michelle Paver
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heißt), und das Krähennest auf drei viertel Höhe des Mastes sei das Zeichen eines wahrhaften Seglers. Das Innere ist hauptsächlich Laderaum. Es gibt vier winzige Kabinen, die von dem kleinen Salon abgehen (in einer davon bin ich). Ich weiß nicht, wo die Mannschaft schläft, nicht einmal, wie viele dazugehören, weil ich sie nicht unterscheiden kann. Es sind allesamt blendend aussehende nordische Typen mit imponierenden Bärten und erstaunlich sauberer Arbeitsmontur.
    Rätselhafterweise stinken sie nicht nach Robbenspeck wie ansonsten alles andere. Der ranzige, ölige Geruch durchdringt das Holzwerk. Man schmeckt ihn im Trinkwasser. Hugo und Algie sehen grünlich aus, selbst mir ist ein bisschen schwummerig.
    Irgendwie haben wir alles an Bord geschafft, ohne dass die Mannschaft eine von den Kisten mit meiner Funkausrüstung fallen gelassen hat. Sie sind gottlob sicher im Laderaum verstaut, nicht an Deck bei den Hunden.
    Die verfluchten Hunde. Ich weiß, wir brauchen sie für das Lager auf dem Gletscher, aber ich wünschte, wir könnten auf sie verzichten. Laut Algie (unserem selbsternannten Jäger und Hundeführer) sind Eskimo-Huskys die zähesten, sie können der Kälte am besten widerstehen, und deswegen haben wir sie aus Grönland mitgenommen. Acht Stück von den Biestern: dreckig und außer Rand und Band, nachdem sie neun Wochen in den Laderäumen diverser Schiffe eingesperrt gewesen waren.
    Für Angehörige der Oberschicht sind Hunde fast etwas Heiliges, weswegen Gus, Hugo und Algie die unseren schon abgöttisch lieben. Sie erklären mir, die Tiere seien «wirklich sehr brav» und hätten ihre neuen Herren stürmisch begrüßt. Ich weiß nichts davon, ich war nicht dabei. Ich habe etwas gegen Hunde, und sie haben etwas gegen mich.
    Gus sagt, diese acht werden mich am Ende erobern, aber darauf möchte ich lieber nicht wetten. Sie sehen wie ein Rudel Wölfe aus. Zottig, mit Zähnen, die Kochtöpfe durchkauen können, und mit beklemmend eisblauen Augen. Tückisch sind sie auch. Als die Mannschaft sie an Bord brachte, hat einer mit der Pfote den Riegel an seiner Kiste aufgemacht und ist weggelaufen. Nach einer dramatischen Jagd um den Kai ist er ins Hafenbecken gefallen, wo er jaulend immer im Kreis herumschwamm, bis er gerettet wurde. Algie sagt, das Einzige, was einem Husky Angst macht, ist die See. Dann hätte er halt nicht reinfallen sollen, oder?
    Ich hatte angenommen, sie würden im Laderaum untergebracht, doch die anderen haben dies als grausam verurteilt, deswegen sind sie unangeleint an Deck: machen es sich auf Taurollen bequem oder streifen zwischen den Kisten umher. Ich freue mich mitnichten auf fünf Tage, an denen ich mir meinen Weg durch ein Dickicht aus Reißzähnen bahnen muss.
    Ich habe irgendwo gelesen, dass in Grönland ein Schlittenfahrer, wenn er vor seinen Hunden stolpert, bei lebendigem Leibe von ihnen gefressen wird. Algie sagt, das ist Unsinn. Aber woher will er das so genau wissen?
    Derselbe Tag, später
    Ich bin noch ganz durcheinander wegen des Vorfalls, daher will ich versuchen, es zu erklären.
    Wir hatten den Kapitän nicht viel zu sehen bekommen, bis er sich beim Abendessen zu uns gesellte, daher waren wir von vornherein ein bisschen eingeschüchtert. Er sieht aus wie ein Wikinger: stechende grüne Augen, angegrauter Bart. Er hat einen schraubstockartigen Händedruck und nennt mich «Professor». Er nennt uns alle «Professor». Ich weiß nicht, ob er sich über uns lustig macht.
    Wir vier saßen da wie Schuljungen, die mit dem Direktor speisen. Der Salon ist beengt, warm und übelriechend und vom ständigen Rattern der Maschinen erfüllt, aber außerordentlich sauber. Es gab einen schmackhaften Fischeintopf und Kaffee, wie ihn die Norweger mögen: sündhaft stark, ohne etwas so Abgeschmacktes wie Milch oder Zucker.
    Kapitän Eriksson ist ein gestandenes Mannsbild. Verträgt vermutlich eine Menge Alkohol und verfügt über einen reichen Fundus an schmutzigen Witzen. Aber ich kann ihn gut leiden. Ich habe auch Respekt vor ihm. Er wurde arm geboren. Nicht mittelschichtarm wie ich, sondern richtig, zermürbend, bäuerlich arm. Er fährt seit seinem elften Lebensjahr zur See und hat sich bis zum Kapitän und Miteigentümer der Isbjørn hochgearbeitet. Es ist ihm hoch anzurechnen, dass er uns weder neidvoll noch verächtlich behandelt, sondern schlicht als reiche junge «Yentlemen», die rätselhafterweise Gefallen daran finden, ein Jahr lang in der Wildnis das Wetter zu
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