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Das Teufelsweib

Das Teufelsweib

Titel: Das Teufelsweib
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schon mehr ein Schloß, eines der typischen Landschlösser Frankreichs, wie sie wohl in keinem anderen Land so zahlreich anzutreffen sind, selbst nicht in Schottland, wo auf drei Bauernhöfe ein Schloß kommt – wie man scherzhaft sagt. Am Ende einer gewundenen Auffahrt stößt man auf eine große, eisenbeschlagene Tür, auf vergitterte Parterrefenster und ein Gewächshaus, in dem im Gegensatz zum Park schon jetzt die herrlichsten Rosen und der wundervollste weiße Flieder blühen – jetzt im März, während es draußen noch windig ist und ein kalter Regen gegen die Scheiben peitscht.
    In seinem großen, dunklen Arbeitszimmer sitzt ein Mann. Man würde ihn kaum sehen, wenn nicht der Schein einer hellen Schreibtischlampe auf sein Gesicht fallen würde. Es ist ein faltiges, zerfurchtes, gelbes, nahezu ledernes Gesicht. Eine lange, gebogene Nase reicht fast bis auf einen Mund mit blutleeren Lippen herab, die ein fliehendes Kinn krönen. Die Augen blicken glanzlos. Die Schädeldecke ist eine einzige riesige Glatze. Eine Nase ohne Gesicht, sagen die Bekannten des Mannes unter sich. Aber noch schlimmer ist, was zum Vorschein kommt, wenn der Mann sich erhebt.
    Dünne, krumme Beine tragen einen unförmigen, flaschengleichen Körper. Den Rücken verunstaltet ein gewaltiger Buckel. Wie eine Alraunwurzel sieht dieser Körper aus, verwachsen, knorrig, unmenschlich. Den Glöckner von Nôtre Dame nennen ihn die Bauern der Umgebung, Quasimodo II. ein Monstrum von Mensch mit dem Herzen eines Kindes.
    Das alles weiß Monsieur Dubois seit dem Tage, an dem er begann, sich über seinen Körper Gedanken zu machen. Er war damals noch ein Kind und weinte viel, weil man ihn mied, weil alle Kameraden wegliefen, wenn er erschien, und weil die Mädchen aufschrien, wenn sie sein Gesicht sahen. Aber dann hatte er sich daran gewöhnt, hatte es als besondere Prüfung Gottes angesehen und sein Leid ertragen. Er hatte einen Beruf ergriffen, war Kaufmann geworden, hatte spekuliert an der Börse, hatte im ersten Weltkrieg ein Vermögen verdient und sich das Schloß an der Seine zu einem Einsiedlerhaus umgebaut, in dem es nur männliches Personal von ausgesuchter Häßlichkeit gab. Wenn er auch als einer der reichsten Männer von Paris galt, wenn er auch in der Zeit der deutschen Besatzung den französischen Patrioten Geld gegeben und Unterschlupf gewährt hatte – man sah ihn nie auf Gesellschaften, und nur selten einmal weilte er im Sommer in Monte Carlo, wo er am Spieltisch hockte wie eine häßliche, abstoßende Kröte und staunte, daß gerade ihm das Glück hold war und er gewann.
    Ein Diener, groß, stark, mit einem Gesicht, das grauenvoll durch Pockennarben entstellt war, trat ein.
    »Es ist schon ein Uhr nachts, Marco«, sagte Dubois mit einer überraschend wohlklingenden Stimme. »Und die gnädige Frau ist noch nicht da. Du wirst sie wieder suchen müssen …«
    Er lauschte. Ein Geräusch von einem sich nähernden Auto wurde hörbar. Dubois winkte ab.
    »Da ist sie. Es ist gut, Marco, du kannst zu Bett gehen. Fahre nur noch den Wagen in die Garage.«
    Er drehte sich um und ging wieder zu seinem Schreibtisch, nahm das Buch in die Hand und tat, als ob er lesen würde. Die Tür ging auf, und eine junge Frau trat ein.
    Ihr schmales Gesicht mit der kleinen Nase, den vollen roten Lippen und den blitzenden Augen war vergnügt, als käme sie von einem fröhlichen Fest. Lachend durchquerte sie den Raum und trat an den Schreibtisch heran. Die Seide ihres langen Abendkleides raschelte über den dicken Teppich.
    Ein blutroter Schleier schlang sich um ihre langen, schmalen Finger.
    »Du kommst spät, Manon«, sagte Dubois und blickte von seinem Buch auf. Sie lachte perlend, setzte sich auf die Schreibtischplatte und schlang den blutroten Schleier um Dubois' kurzen Hals.
    »Wie ein Apache siehst du jetzt aus«, sagte sie fröhlich. »Wirklich, wie ein schwerer Junge aus den Kellern des Quartier Latin.«
    Ihre Stimme war hell, schwingend.
    »Laß das«, antwortete Dubois ernst und befreite seinen Hals von dem roten Schleier. »Du weißt, ich mag es nicht, wenn meine Frau so spät noch in Paris gesehen wird.«
    »Eifersüchtig?« Sie drehte die starke Lampe etwas zur Seite, so daß sie im Schatten saß.
    »Wir waren im Riz«, sagte sie unbefangen. »Eine nette Gesellschaft. Schade, daß du nie mitkommst. Daisy war da und dein Freund, der Bankier Tissier, außerdem ein gewisser Charles de Santerres, ein junger Mann aus altem Adel, nichtssagend,
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