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Das Teufelsweib

Das Teufelsweib

Titel: Das Teufelsweib
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verbrenne!
    Wild zeichnete er ihren Körper auf das Papier. Als er zu ihren Brüsten kam, begann er zu schwitzen; seine Hände zitterten gar, als er den Schoß zu zeichnen begann. Stumm, den Kopf eingehüllt in ihren roten Schleier, stand sie auf dem Podest. Der Fremde lehnte in einer Ecke, beobachtete Putois, blickte wohlgefällig auf das herrliche Modell und rauchte eine Zigarette.
    Es war still im Raum. Nur das Kratzen des Bleistifts auf dem Papier war zu hören.
    Marcel Putois legte den Zeichenblock auf den Tisch und sah sich um.
    »Genug für heute«, sagte er mit belegter Stimme. »Die Dame wird müde sein, und auch ich habe schon den ganzen Tag gearbeitet und brauche Ruhe. – Sie kommen morgen wieder?«
    Angst lag in seiner Frage, aber der Fremde nickte und warf die Zigarette in einen Wassereimer.
    »Um die gleiche Zeit.« Er trat zu der Dame mit dem roten Schleier, half ihr in das Abendkleid und schloß an ihrem Rücken die Knöpfe. Dann kam der Abendmantel an die Reihe. Zuletzt legte der Fremde einen 1.000-Franc-Schein auf den runden Tisch. »Eine Sonderprämie«, sagte er lächelnd. »Ich bin zufrieden, der Anfang war gut. Machen Sie so weiter. Bon soir, maître Putois.«
    Selbstsicher, wie er gekommen, verließ er mit der Unbekannten das Atelier. Sie schwebt, sagte sich Marcel fasziniert. Sie geht nicht, sie schwebt wie ein Engel. Dann wandte er sich dem Geldschein zu und fegte ihn vom Tisch. »Er ist ein Satan«, sagte er halblaut. Und plötzlich schrie er laut, gellend: »Er ist ein Satan! Ich möchte ihn erwürgen!«
    Er trat an das große Fenster und preßte die heiße Stirn an die kühlen Scheiben.
    »Ich kann das Bild nicht malen«, stammelte er. »Mein Gott, was ist plötzlich aus mir geworden? Was hat sie aus mir gemacht – sie, die Frau mit dem roten Schleier?« Er ergriff einen Spiegel und blickte hinein. Er sah seine fiebrigen Augen. »Ich bin verrückt«, flüsterte er. »Total verrückt. Wo führt das hin?« Er ging in den Nebenraum und warf sich auf sein Bett.
    »Ich muß sie küssen«, stammelte er mehrmals. »Ich muß sie küssen, und wenn es mich das Leben kostet …«
    So lag er eine Weile regungslos auf dem Bett und starrte in die Nachttischlampe, die trüb den Raum erhellte. Dort drüben an der Staffelei hat sie gestanden, dachte er, und fühlte, wie ihm das Blut wieder schneller durch die Adern rann. Ihr weißer Körper mit dem blutroten Schleier stach grell gegen die dunkle Wand ab, einer Marmorskulptur gleich, die man vor einen schwarzen Samtvorhang stellt. Und ihr Leib hat sich gebogen, als sie hörte, wie mein Stift über das Papier fuhr, hat sich gebogen, als wollte er so die ganze Schönheit ausstrahlen, damit sie die Skizze belebe …
    »Wer mag sie sein?« rätselte Putois. »Warum verbirgt sie ihr Gesicht?« Plötzlich überfiel ihn ein rettender Gedanke. Er zog die nächstbeste Jacke an und rannte die Treppen hinunter zur Portierwohnung.
    »Kann ich mal telefonieren?« fragte er mit vor Erregung bebender Stimme. Der alte Portier nickte nur, vertiefte sich wieder in seine Zeitung und nahm einen langen Schluck von seinem Landrotwein, dem unentbehrlichen Pinard.
    Marcel wählte die Nummer und lauschte in den Hörer, bis ein Knacken ertönte. Ohne Anrede, die Worte hervorsprudelnd wie ein Wasserfall, mit heftigen Armbewegungen sprach er zu dem Freund, der am anderen Ende des Drahtes in seinem Sessel saß und immer nur den Kopf schüttelte.
    »Ich bin's, Marcel! Du kennst doch so ziemlich alle hohen Tiere der Gesellschaft? Was? Mensch, du als Boulevardjournalist mußt sie doch kennen! Wozu bist du Redakteur an deinem Sensationsblättchen! – Ja? – Kennst du eine Dame, die einen blutroten Schleier um den Kopf trägt? Was? Ob ich spinne? Ich würde es selbst glauben, wenn ich nicht ihre Skizze hier hätte! Du kennst sie also nicht? Was? Eine solche Frau gibt es nicht? Mein Lieber, es laufen in Paris Göttinnen herum, von denen du offenbar nichts weißt. Danke.«
    Er legte den Hörer auf, nickte dem Portier zu, der ein »Bon soir« brummte, stieg dann wieder die Treppen zu seinem Atelier hinauf und blieb an der Tür stehen.
    Umsonst, dachte er. Wer soll auch wissen, wer diese Dame ist? Sie kommt heimlich in der Nacht, und sie geht in der Nacht … Ärgerlich fuhr er sich durch die wirren, ungekämmten Haare und lehnte sich an den Türrahmen.
    Einer müßte sie doch kennen, dachte er dennoch wieder. Der Kunsthändler Tengier, der das Bild in Empfang nehmen soll! Einen Auftrag
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