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Das Teufelsweib

Das Teufelsweib

Titel: Das Teufelsweib
Autoren: Heinz G. Konsalik
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    Die merkwürdige und bedenkliche Geschichte begann eigentlich damit, daß der nicht unbegabte technische Zeichner Marcel Putois entdeckte, daß er nicht nur Zahnräder, sondern auch Porträts, Landschaften und allegorische Gemälde malen konnte. Er stieß auf diese Entdeckung rein zufällig, so, wie man in Paris auf Entdeckungen künstlerischer Fähigkeiten stößt: Er war verliebt, zeichnete die kleine Yvette im Bois de Bologne an einem kleinen verträumten See und fand, daß dieses Werk zu entzückend sei, als daß sich die aufbrechende Begabung nicht auch noch an anderen Objekten versuchen sollte.
    So richtete sich Marcel Putois in der Rue Randolph in der Nähe des Montmartre-Friedhofes ein Atelier ein, aß in Künstlerkneipen und kleidete sich mit der ungezwungenen Nachlässigkeit, die sich Maler schuldig zu sein glauben.
    Doch Marcel hatte darüber hinaus noch etwas, was ihn entschieden von vielen anderen Kollegen des Montmartre abhob: Er konnte etwas! Ja, er ermalte sich in einem halben Jahr einen Namen, dem sich die Türen selbst großer internationaler Ausstellungen öffneten und der sich in klingender Münze niederschlug, wenn die Ausstellungen geschlossen wurden. Denn zwei bis drei Bilder von Putois verkauften sich immer, und die Aufträge von Privat oder von großen Werken für Gesellschaftsräume bekannter Firmen rissen nicht mehr ab. Und auch da war Marcel Putois anders als viele Bohémiens – er arbeitete verbissen, ekstatisch, ganz seiner Kunst hingegeben –, ein Mann, der sich sagte, daß ihn das Schicksal mit Yvette, die er im übrigen rasch wieder vergaß, nur zusammengebracht hatte, um ihm durch sie den Anstoß zu seiner Karriere zu geben.
    Heute – es war der 23. März 1975 – saß er vor seiner Staffelei und entwarf mit schwachen Kohlestrichen, sich oft zurückbeugend und das Bild von weitem betrachtend, eine Landschaft. Eine Ideallandschaft: voller Frieden, voller Blüten, voller Glück – ein Paradies menschlicher Träume, das kein Sturm und kein Regen zerstört. Leise pfeifend führte er die Kohle über die gespannte Leinwand und kniff gerade ein Auge fixierend zu, als es an seiner Tür klopfte.
    Marcel Putois blickte sich nicht um, sondern rief über die Schulter zurück, während er weitermalte: »Herein! Wenn Sie allerdings eine Rechnung bringen – hinaus!«
    Mit einem fröhlichen Lachen trat ein großer, schlanker, junger Mann ins Atelier und sah sich um. Er trug einen eleganten Frack mit einer großen weißen Treibhausnelke im Knopfloch. Sein gebräuntes Gesicht ließ darauf schließen, daß er den Winter nicht in der Stadt, sondern eher in einem eleganten Wintersportort verbracht hatte, und seine ganze weltmännische Erscheinung, sein Auftreten sowie die Bewegungen seiner sprechenden schmalen Hände zeigten, daß er jener Gesellschaftsschicht entstammte, die Marcel Putois lediglich vom Kino oder von einigen Porträtsitzungen her kannte.
    Der Fremde sah sich noch einmal im Raum um und trat dann zu Putois, der sich nicht stören ließ, vor seiner Staffelei sitzen blieb und seinen Entwurf fixierte.
    »Pardon«, sagte der Besucher mit einer tiefen, gutturalen Stimme und leichtem italienischen Akzent. »Lassen Sie sich nicht stören, Meister, und ich gehe auch sofort wieder, wenn Sie es ablehnen sollten, 10.000 Franc zu verdienen.«
    Marcel Putois blickte nun erst auf und musterte den Fremden erstaunt.
    »10.000 Franc?« fragte er dann und schüttelte den Kopf. »Ein Porträt von Ihnen kostet lediglich 5.000!« Er legte den Kohlestift weg und drehte sich auf seinem Sitz herum. Dabei wies er auf einen Sessel, der hinter einem runden, mit Farbtuben und Mischbecher bedeckten Tisch stand. »Bitte, nehmen Sie Platz.«
    Der Fremde setzte sich und zog dabei die Falte seiner Frackhose hoch. Sein Gesicht war ernster geworden.
    »Wie ich heiße – denn das werden Sie mich gleich fragen –, tut nichts zur Sache. Wenn ich Ihnen 10.000 Franc auf den Tisch lege, habe ich ein Recht auf Anonymität. Auch mein Auftrag ist anonym. Sie verstehen, was ich meine? Sie werden ein Bild malen. Einen Akt. Einen Frauenakt, genauer gesagt. Aber das Gesicht wird verdeckt sein … auf dem Bild wie in der Natur. Sie werden nie fragen, wer die Dame ist. Sie werden sich aller Neugier enthalten und nur malen, was Sie sehen. Ich werde die Dame bringen und abholen, und Sie verpflichten sich, uns nicht nachzugehen oder sonst jemanden zu beauftragen, unser Inkognito zu lüften. Das fertige Bild liefern Sie an einem
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