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Als das Glück zu Frieda kam - ROTE LATERNE Band 1 (German Edition)

Als das Glück zu Frieda kam - ROTE LATERNE Band 1 (German Edition)

Titel: Als das Glück zu Frieda kam - ROTE LATERNE Band 1 (German Edition)
Autoren: Lisa Thomsen
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  »Mahlzeit, Frau Paluschke!«
    »Mahlzeit«, sagte Frieda Paluschke und blickte dabei über die Schulter hinweg, während sie ihre Wohnungstür abschloss.
    »Na, wieder zum Dienst?«, wurde Frieda von ihrer Nachbarin gefragt.
    »Ach Gottchen, ja«, antwortete die magere, mittelgroße Frieda Paluschke und hob unter ihrem grauen, abgewetzten Mantel mit einem schweren Seufzer die Schultern. »Wie dat einem im Leben halt so geht, Frau Schnillemann. Rein in die Trete, raus aus der Trete. Es bleibt einem nischt erspart. Gar nischt, Frau Schnillemann!«
    Frieda schob den Schlüsselbund in die bejahrte Handtasche und wandte sich der Treppe zu.
    »Ach, Frau Paluschke ...?«, wurde Frieda unvermutet zurückgehalten. »Was ich Sie so fragen wollte ...«
    »Also fragen Sie schon, Frau Schnillemann«, verlangte Frieda. Der Unterton erinnerte an die Stimme einer zwar eitlen, jedoch abgetakelten Diva, die vor der ersten Tasse Kaffee und ohne die berühmten dritten Zähne, noch halb schnarchend vom Produzenten in den Halbdaunen erwischt wird. »Ich muss nämlich zum Dienst«, grollte sie ungnädig hinterher.
    Dienst war so ein Stichwort. Es schien die Nachbarin unter einen Stromschlag zu stellen und ließ gleich hinterher den Unterkiefer abklappen. Doch dass dieses Staunen nur Gier nach Wissen bedeutete, wusste Frieda sehr wohl. Sie besaß genug Menschenkenntnis.
    »Sie sind also bei einer Behörde?«
    »Wie recht Sie haben, Frau Schnillemann«, salbte Frieda drauflos. Auf Behörde hatte noch niemand getippt. Auf fast alles war man schon gekommen, und über die in ihr vermutete Bahnhofsklofrau hatte sich Frieda Paluschke am meisten aufregen können. Aber Behörde? Für so edel hatte sie noch niemand gehalten. Die nobelste Unterschiebung war bisher eine Losverkäuferin an der Ecke Parkallee - Löhnemann-Platz gewesen. Losverkäuferin war nicht das Nonplusultra, aber die Gegend war schick.
    »Und was machen Sie bei der Behörde?«
    »Na«, begann Frieda, krauste die Stirn und versuchte krampfhaft die breite Meinung zu verdrängen, bei Behörden würde lediglich nur geschlafen. »Na, was man halt so macht, bei die Behörde«, quäkte sie dann rasch heraus. »Unpünktlichkeit liebt man nicht. Deshalb muss ich los!«
    Die Sache mit der Unpünktlichkeit war ihr gerade noch rechtzeitig eingefallen, weil der Umschlag mit Olga Zunders Steuererklärung sie wie ein Stück Blei in der Handtasche erinnert hatte.
    Olga Zunder war Friedas Brötchengeberin und besaß eine Weinstube, die den sinnigen Namen »Zum guten Tropfen« führte. Wer hier allerdings verkehrte, der war bestens über die Tatsache informiert, dass sich über dem »Guten Tropfen« etwas befand, was im Duden als Bordell aufgeführt ist und der Volksmund schlicht als Puff bezeichnet. Von außen war der heimliche Tempel leiblich-sinnlicher Genüsse an den schlampig zugezogenen Vorhängen zu erkennen. Mit Einbruch der Dunkelheit, Rückzug der Tauben in die Nachtquartiere und dem Aufgang des Mondes, erglänzten pralle weiße Brüste in dessen lockendem Licht. Und im guten Tropfen lockte Olgas Havannabass die Männer mit dem Lied von der Rose, die man pflücken soll, ehe sie verblüht.
    Oben lagen die Mädchen in den Fenstern oder auf durchgelegenen Betten, die mit rotem Plüsch mühsam kaschiert waren. Oder sie lackierten Nägel, kauten auch bisweilen daran, rauchten, redeten oder stärkten sich mit Flüssigem. Egal, was sie taten. Sie wollten eben gepflückt werden. Für das Pflücken nahmen sie von fünfzig Euro aufwärts. Mit viel auf dem Leib war es preisgünstig. Mit unten herum wenig oder gar nichts, war es eine mittlere Rosenplantage wert ...
    Die Sonne grinste unverschämt zwischen zwei bröckligen Kaminen auf dem Hausdach hervor, als Frieda Paluschke mit einem gewohnheitsmäßigen Hüftschwung die Ecke zur Bordellstraße nahm und dabei fast auch schon gewohnheitsmäßig mit Dora Schwalbe zusammenrummste, die sich haargenau zu dieser Zeit ebenfalls gewohnheitsmäßig auf den Weg ins verbotene Bahnhofsrevier machte und notleidende Männer in der Intercity-Halle abfing, wie Missionsschwester Trudelinde die Obdachlosen an den Kanten des Dauerrausches.
    »Du dummes Stück«, sagte Dora und rückte die nachtschwarze Perücke zurecht, die beim Zusammenstoß etwas verrutscht war.
    »Du Bahnhofsschlampe!«, knurrte Frieda und zog einen Schuh aus, um ihn an der Hausecke abzukratzen. »Wegen dir bin ich in die Scheiße getreten. Nur wegen dir. Soll ich ...?«
    Angriffslustig holte
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