Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Reich des dunklen Herrschers - 8

Das Reich des dunklen Herrschers - 8

Titel: Das Reich des dunklen Herrschers - 8
Autoren: Terry Goodkind
Vom Netzwerk:
1
    Kahlan beugte sich unauffällig zu ihm hinüber und fragte mit gedämpfter Stimme: »Du hast die ganze Zeit gewußt, daß sie da waren, hab ich recht?«
    Die Umrisse dreier schwarz gezeichneter Riesenkrähen, die soeben aufgeflogen waren, um ihre allnächtliche Jagd zu beginnen, hoben sich gerade noch erkennbar vor dem Hintergrund des dämmrigen Himmels ab. Ihretwegen war er stehengeblieben, sie hatte er die ganze Zeit beobachtet, während der Rest der kleinen Gruppe in beklommenem Schweigen wartete.
    »Ja.« Ohne sich umzudrehen, deutete Richard über seine Schulter. »Dort hinten sind noch zwei von ihnen.«
    Kahlan ließ den Blick suchend über das dunkle Felsengewirr wandern, konnte aber keine weiteren Vögel entdecken.
    Mit zwei Fingern hob Richard sein Schwert am Silberknauf einige Zoll an, um sich zu vergewissern, daß es locker in der Scheide saß. Als er es wieder zurückfallen ließ, verfing sich ein letzter, flüchtiger Schimmer des warmen Abendlichts in seinem goldenen Umhang. Just in diesem Augenblick schossen zwei weitere der riesigen Vögel über ihre Köpfe hinweg. Einer von ihnen, die Flügel weit gespreizt, stieß einen durchdringenden Schrei aus, als er in einer engen Kurve einmal über ihnen kreiste, wie um die fünf Personen unter ihm am Boden abzuschätzen, ehe er seinen sich rasch in westlicher Richtung entfernenden Kameraden mit kräftigem Flügelschlag hinterhereilte.
    In dieser Nacht würden sie reichlich Nahrung finden.
    Kahlan vermutete, daß Richard, als er ihnen hinterherschaute, in Gedanken bei seinem Halbbruder Oba war, von dessen Existenz er erst vor kurzem erfahren hatte. Dieser Halbbruder hielt sich gezwungenermaßen einen strammen Tagesmarsch westlich von ihnen auf, an einem der sengenden Sonne so schutzlos ausgesetzten Ort, daß nur wenige sich je dorthin verirrten - und noch weniger jemals von dort wiederkehrten. Dabei war die sengende Hitze nicht einmal das Schlimmste gewesen.
    Jenseits dieser trostlosen, menschenleeren Talsenke malte das nachlassende Licht der Dämmerung die Silhouette eines fernen Gebirgskamms an den Horizont, der wie der schwarz verkohlte Rand des Glutofens der Hölle selbst wirkte. Dunkel und unerbittlich wie diese Berge, und ebenso bedrohlich, hielt der aus fünf Vögeln bestehende Schwarm auf das schwindende Licht zu.
    Jennsen beobachtete sie verwundert. »Was in aller Welt …?«
    Den Blick noch immer auf die Riesenkrähen gerichtet, nahm Richard ein paar kleine Steinchen vom bröckeligen Felsvorsprung neben sich und schüttelte sie leicht in seiner geschlossenen Hand. »Ich habe diese Vögel zuvor auch noch nie gesehen - bis ich in diese Gegend kam. Einige Leute, mit denen wir gesprochen haben, erzählten, sie seien vor ein oder zwei Jahren das erste Mal hier aufgetaucht - je nachdem, von wem man die Geschichte hört. Aber alle waren sich einig, die Riesenkrähen davor noch nie gesehen zu haben.«
    Richard warf die Steinchen hinter sich auf den Pfad, der hier über harten, verkrusteten Boden führte. »Ich glaube, sie gehören zur Familie der Falken.«
    Jennsen kauerte sich neben ihre braune Ziege Betty, die sich verängstigt an ihre Beine schmiegte, und tröstete sie. »Falken können es auf keinen Fall sein«. Die beiden weißen Ziegenkinder, die sonst nur herumtollten, tranken oder schliefen, hatten sich stumm und eng aneinander gedrängt unter den Bauch ihrer Mutter verkrochen. »Dafür sind sie viel zu groß.«
    Ein freundliches Lächeln ging über Richards Gesicht, und seine Stimme wurde milder, als er fragte: »Soll das etwa heißen, du streitest einfach ab, was du gerade mit eigenen Augen gesehen hast?«
    Jennsen streichelte Bettys schlaffe Ohren. »Ich denke, meine aufgestellten Nackenhaare würden mich glatt Lügen strafen.«
    Richard sah erneut zum dunklen Horizont. »Mit ihrem schlanken Körper, dem runden Kopf und ihren spitzen Flügeln ähneln diese Riesenkrähen allen mir bekannten Falkenarten. Meist spreizen sie im Gleitflug ihre Schwanzfedern, ansonsten ist ihre Silhouette im Flug eher schmal.«
    Jennsen nickte, offenbar war sie mit seiner Beschreibung der charakteristischen Merkmale einverstanden.
    »Sie sind schnell, überaus kräftig und angriffslustig«, fügte Richard hinzu. »Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie eine von ihnen einen Präriefalken mitten im Flug mühelos mit den Krallen packte.«
    Seine Schilderung schien allen die Sprache verschlagen zu haben.
    Richard war in den schier endlosen Wäldern Westlands aufgewachsen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher