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Das Sternenprogramm

Das Sternenprogramm

Titel: Das Sternenprogramm
Autoren: Ken MacLeod
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geflickt, so
dass er erahnen konnte, was sein Schuss mit dem darin
befindlichen Fleisch und dem Knochen angestellt hatte. Die
eiligen, leisen Schritte der Krankenschwestern und das Auf und Ab
der Wachposten versetzten seine Nerven in Alarmbereitschaft. Hin
und her, von der Sicherheitsstation in die offene und wieder
zurück. Catherins blaue Augen in dem von einem hellblonden
Haarschopf umrahmten weißen Schwarzengesicht blickten ihn
vorwurfsvoll an.
    Kohn, der sich in der Defensive fühlte, griff als Erster
an.
    »Ich muss dich was fragen«, sagte er mit schwerer
Zunge. »Was hattest du eigentlich in dieser Kampfgruppe zu
suchen?«
    Sie lächelte wie aus weiter Ferne. »Was machst du
hier, schützt du diese Anlage?«
    »Ich mache meinen Job. Gebe bloß Befehle. Du
weißt ja, wie das ist… Cat.«
    Sie zuckte zusammen. Der Spitzname gehörte ihr allein,
doch sie hatten ihn alle als Kollektivbezeichnung benutzt; manche
Leute hatten geglaubt, er beziehe sich, wie er der
Wissenschaftlerin gesagt hatte, aufs Ballett, andere nahmen an,
auf eine Comic-Katze, während bloß eine Hand voll
Leute wusste, dass damit der Begründer einer höchst
erfolgreichen Sicherheitsfirma gemeint war. Eine prima Truppe
waren sie gewesen, und mit ihren Ideen, ihrer Wildheit, ihrer
Reaktionsschnelligkeit hatte sie ihnen Hoffnung gemacht, einmal
zu den Besten zu gehören. Als es darum gegangen war,
Gewerkschaftsbüros und Demonstrationen der Opposition gegen
die hirnlosen Muskelmänner des Hannoveranerregimes zu
verteidigen, war Kohn froh gewesen, sie im Rücken zu haben.
Der Erfolg hatte ihnen weitere Verträge eingebracht –
zahllose Einrichtungen brauchten Schutz, den die mit ihrer
eigenen Sicherheit befassten Sicherheitskräfte ihnen nicht
gewähren konnten. Vor ein paar Jahren hatte sie bei einem
Nachteinsatz im Auftrag eines Multis ein Sabotageteam der
Grünen Brigade ausgeschaltet. Da die Grüne Brigade die
Firmenangestellten als Freiwild betrachtete und bereits Dutzende
von Arbeitern auf dem Gewissen hatte, war Kohn vor dem Vertrag
keine Sekunde zurückgeschreckt.
    Catherin hatte sich geweigert, das Blutgeld anzunehmen, und
war gegangen.
    Zuvor waren sie und Kohn ein Paar gewesen. Ein klassischer
Fall: bei einer Randale waren sich ihre Blicke begegnet. Es war
wie beim Kennenlernen in einer Disco gewesen. Sie hatten beide
Spaß gehabt. Der Schock des gegenseitigen Erkennens auf
einer vorbewussten, beinahe vormenschlichen Ebene. Er hatte
einmal gescherzt, der Australopithekus, ihr Vorfahr, sei in zwei
Varianten vorgekommen, robust und grazil: »Ich bin
genetisch betrachtet ein robustus«, hatte er gesagt.
»Du aber bist eindeutig eine gracilis.« Nichts
weiter als ein verliebter Scherz; die schlanken Gliedmaßen,
die straffen Muskeln unter der Haut, deren Anblick ihn noch immer
entzückte; das hübsche, dreieckige Gesicht, die
großen Augen und die strahlend weißen kleinen
Zähne – die ihnen zugrunde liegenden Gene waren erst
in neuerer Zeit zusammengewürfelt worden, kreuz und quer
über den Atlantik, in Sklavenschiffen und internationalen
Brigaden… ein durch und durch modernes Mädchen.
    Geliebte gracilis. Er hatte ihre Rückendeckung
vermisst, und sie hatte ihm auch noch in anderer Beziehung
gefehlt. Es hieß, sie arbeite für andere Co-ops, die
puristischer orientiert seien und nur politisch korrekte
Aufträge annähmen. Kohn wünschte ihr alles Gute
und hoffte, sie nie wiederzusehen. Er hätte nie damit
gerechnet, dass er einmal auf sie zielen würde.
     
    Ihre Hand, bewegt von den Muskeln, die unermüdlich damit
beschäftigt waren, die zerschmetterten Speichen- und
Ellenknochen wieder zusammenzufügen, winkte ihn näher
und schickte ihn fort.
    »Du verstehst nicht«, sagte sie. »Ich stehe
immer noch auf der anderen Seite.« Sie schaute suchend
umher. »Können wir offen reden?«
    »Klar.« Kohn winkte ab. »Die Aufpasser
werden ausnahmslos gescannt.«
    Catherin wirkte erleichtert. Sie begann leise und schnell zu
reden.
    »Du weißt, es wird einen heißen Herbst
geben. Die ANR plant wieder mal eine Großoffensive. Glaub
mir, ich täusche mich nicht, aber das Königreich steht
jedenfalls unter Druck, vonseiten der Grünen, der
Nationalisten, der Muslime, der Schwarzen Zionisten und der
Arbeiterbewegungen. Im Moment geht es gegen alle, und die
dümmeren der Freistaaten kämpfen gegeneinander. Also
– die Partei, weißt du?«
    »Die Partei?« Blöde
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