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Das Sternenprogramm

Das Sternenprogramm

Titel: Das Sternenprogramm
Autoren: Ken MacLeod
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verblassten die Hologramme über dem
Palace in der Morgensonne. In seiner Vorstellung leuchteten sie
weiter.
     
    Das Erdgeschoss des alten Lagerhauses in der Nähe des
Finsbury Parks war ein wahres Glasfasernest. Jordan erspähte
das pulsierende Leuchten des Faserngeflechts zwischen den Stufen
der Stahltreppe hindurch, die er allmorgendlich hochpolterte. Die
meisten Terminals von Beulah City hatten raffinierte
Informationsfilter eingebaut, die sicherstellen sollten, dass ein
wahres und zutreffendes Bild der Welt wiedergegeben wurde, das
unbefleckt war von den zahllosen bösen Einflüssen. Weil
das Böse aber nicht vollständig ignoriert werden
konnte, hatte man einen kleinen Teil der Terminals aus den
Privathäusern und Firmen entfernt, die Kabel sorgfältig
neu verlegt, mit frisch geöffneten Kanälen und
Leitungen verbunden und ein Dutzend Zentren eingerichtet, wo man
ihre Benutzung überwachte. In diesem Gebäude gab es
etwa hundert solcher Terminals im Obergeschoss, ein von
Oberlichtern erhelltes Labyrinth mit Trennwänden aus
Papier.
    Jordan drückte die Schwingtür auf. Im Moment war es
hier so still wie in einer Kirche. Die meisten User würden
erst in einer halben Stunde eintreffen: Konstruktionszeichner,
Schriftsteller, Künstler, Lehrer, Softwareexperten,
Geschäftsleute, Theologen. Jordan schenkte sich aus einem
Automaten Kaffee in eine Porzellantasse ein – der Kaffee
war aus Salvador, das ließ sich nicht ändern –
und näherte sich vorsichtig seinem Arbeitsplatz.
    MacLaren, der Nighttrader, erhob sich, meldete sich ab und
drehte den Stuhl zu Jordan herum. Er war in den Zwanzigern und
ließ bereits nach.
    »Peking ist gefallen«, sagte er.
»Wladiwostok und Moskau sind um ein paar Punkte gestiegen,
Warschau und Frankfurt sind recht schwankend. Achte auf die
Pharmawerte.«
    »Danke.« Jordan nahm Platz, setzte die Kaffeetasse
ab und winkte, während er sich anmeldete.
    »Gott sei mit dir«, murmelte MacLaren. Er nahm
seinen Parka und ging weg. Jordan rief die Übersicht der
Aktienmärkte auf. Bildschirme waren auch so eine Frechheit:
sie trauten einem nicht zu, dass man Ausrüstung benutzte,
die sie im Hintergrund nicht sehen konnten. Er pustete auf den
Kaffee und mampfte das Specksandwich, das er unterwegs gekauft
hatte, beobachtete das sanft wogende Meer der Charts. Als er sich
das Bild eingeprägt hatte, rief er die Preise von Beulah
Citys eigenen Produkten auf, die wie Ornamente, wie farbig
codierte Korken tanzten.
    Beulah City importierte Textilien, Informationen und
Chemikalien, verkaufte Kleidung, Software und Spezialmedikamente.
Jordan, MacLaren und Debbie Jones von der Nachtschicht wickelten
die Geschäfte eines großen Teils der Firmen, Missionen
und Kirchen ab. Ernsthaftes Stocktrading war den Geistlichen und
JOSEPH vorbehalten, dem Expertensystem für ethische Anlagen,
doch stand es Jordans kleiner Firma frei, ihre eigenen
Gebühreneinkünfte auf dem Markt zu riskieren. Den
größten wirtschaftlichen Erfolg hatte in Beulah City
derzeit Modesty, ein Modehaus, das den einheimischen
Gebrauchtkleidermarkt beherrschte und außerdem noch
Schneiderprogramme für CAD/CAM-Nähmaschinen anbot. Die
Firma profitierte von einem unerwarteten Boom in den
postislamischen Ländern, und auch die Nachfrage in Europa
war auf Grund des Ozonlochs lebhaft – wenngleich die
Schutzkleidung hier mit der Sonnencreme konkurrieren musste.
Sonnencreme war ungesund und obendrein eine Erfindung der
Gottlosen.
    Für MacLaren war es in Armenien gut gelaufen. Jordan
orientierte sich nach Westen und kontaktierte die Firma Xian
Lernsoftware in New York.
    »Was bieten Sie an?«, fragte XLS.
    Jordan musterte die im linken Bildschirmfenster scrollende
Produktliste.
    »Schöpfungsastronomiebaukästen mit neuesten
Forschungsdaten, welche die herkömmlichen kosmologischen
Modelle widerlegen. Geeignet für die Verwendung an
Highschools: die vereinfachte Ausführung für die
Grundschule ist nahezu ausverkauft. Eins zwanzig das
Stück.«
    »Von der FWV genehmigt?«
    Jordan öffnete die Produktbeschreibung. In der rechten
oberen Ecke erschien das Logo der Fundamentalistischen
Weltvereinigung, Adam und Eva, stark stilisiert.
    Dies bedeutete, das Produkt durfte an jüdische,
muslimische und christliche Rechtgläubige verkauft werden:
an alle Menschen, die an das Buch, das Kapitel, den Vers, das
Wort, den Buchstaben, den Punkt und das Komma
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