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Das Sternenprogramm

Das Sternenprogramm

Titel: Das Sternenprogramm
Autoren: Ken MacLeod
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Grüngürtel der Barackenstadt
aufgewachsen, hatte Moh dies von seinem Vater gelernt. Ein
Kommunist der fünften Generation, Mitglied der Vierten
Internationalen, der den Faden weiterreichte, dieses dünne
Wortgespinst, das die Vergangenheit mit der Zukunft
verknüpfte. Die Partei ist das Gedächtnis der
Arbeiterklasse pflegte er zu sagen, während die Arbeiter
der Welt nicht die geringste Neigung zeigten, sich zu vereinigen.
Auch er selbst, Gaia sei seiner Seele gnädig, hatte die
Republik für einen korrupten, instabilen Kompromiss
gehalten, was ihn jedoch nicht davon abhielt, sie zu verteidigen,
als die US/UN-Truppen anrückten… natürlich unter
dem Jubel der Massen.
    Kohn machte sich keine Illusionen. Die meisten
Oppositionsgruppen würden die Verbreiterung des
Bündnisses begrüßen, selbst wenn sie sich bewusst
waren, dass dies rein taktische und technische Gründe hatte
– eine gemeinsame Aktion hier, ein wenig Schützenhilfe
dort. Folge davon wäre, dass die Liste der legitimen Ziele
erheblich länger würde. Seine Co-op hatte davon gelebt,
das, was er als Saat des Fortschritts ansah – die
Arbeiterorganisationen, die Wissenschaftler und, wenn nötig,
auch die Kapitalisten –, gegen die Feinde der modernen
Industrie zu verteidigen, auf der all ihre widersprüchlichen
Hoffnungen ruhten. Dieses prekäre Gleichgewicht, die
Ökonische der Katzen, würde kippen. Zum ersten Mal
begriff er, was sein Vater mit Verrat gemeint hatte.
    Sein Zorn richtete sich gegen die verwundete Frau.
    »Es steht dir frei zu gehen«, sagte er. »Ich
verlange kein Lösegeld. Ich will keine Geiseln austauschen.
Keine Forderungen, in welcher Währung auch immer. Ich werde
dich von unserem Konto löschen.«
    Sie sank aufs Kissen zurück.
    »Das kannst du mir nicht antun!«
    »Doch, ich kann.«
    Er stapfte hinaus und ließ sie als Freie zurück.
Ohne Job und nicht mehr zu beschäftigen. Bloß
ausgebrannte, ausgepresste Verräter, Doppel- und
Mehrfachagenten wurden bedingungslos freigelassen.
    In diesem Moment hielt er das für gerecht.

 
2
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Beweise für Flugzeuge
     
     
    Morgen, nahm Jordan sich vor, morgen würde er anfangen,
vernünftig zu leben. Morgen würde er einen Schnitt
machen, einfach aufstehen und sie verlassen, sie weinend oder
fluchend zurücklassen. Ab nach North London Town. Norlonto ist frei, wurde geflüstert. Mit Geld
kriegst du alles. Gewalt richtet dort nichts aus.
    Bei zahllosen Gelegenheiten hatte er das Gleiche gedacht.
    Jordan Brown war siebzehn Jahre alt und kochte vor lauter
Hormonen und Hass. Er lebte im Norden Londons, jedoch nicht in
Norlonto, nicht in North London Town. Die Gegend, in der er
wohnte, hatte früher Islington geheißen und
überlappte teilweise mit anderen ehemaligen Stadtteilen von
Groß-London. Die Grenze zu Norlonto war geprägt vom
scharfen Gegensatz zwischen Freiheit und Sklaverei, zwischen
Krieg und Frieden, Unwissen und Stärke. Je nachdem, auf
welcher Seite man stand. Die Gegend wurde Beulah City genannt.
Hier galt Gottes Gesetz. Ausgenommen…
     
Die Erde gehört dem Herrn,
es gibt kein Dein, bloß Seins,
ausgenommen die West Highland Piers,
denn die gehören MacBraynes.
     
    Seine Großmutter hatte ihm als Kind diese ein wenig
blasphemische Variante eines Psalms gelehrt, die sich über
die Grenzen des weltlichen Besitzes lustig machte.
    Sie drückte eine für ihre Zeit gültige Wahrheit
aus, eine Wahrheit über das Kabel. Die Ältesten
bemühten sich nach Kräften, im gedruckten Wort das
Unsaubere, Zweifelhafte zu zensieren und auszumerzen, doch beim
Kabel, dem Glasfasernetzwerk, das die gottlose Republik in alle
Winkel eines jeden Gebäudes der damaligen Länder
verlegt hatte und das sie mit der ganzen Welt verband, waren
ihnen die Hände gebunden. Die Autonomie sämtlicher
Freistaaten, der Gemeinwesen unter der Herrschaft des
Königs, hing vom ungehinderten Netzzugang ab. Man
brauchte das Netz so dringend wie Luft und Wasser, und niemand
versuchte auch nur, ohne es auszukommen.
    Jordan verharrte einen Moment auf der Eingangstreppe des
dreistöckigen Hauses auf dem Crouch Hill, in dem er mit
seinen Eltern lebte. Zu seiner Linken sah er den Alexandra
Palace, die Grenze zu einer anderen Welt. Er hütete sich
davor, längere Zeit dorthin zu schauen. Norlonto ist
frei…
    Die Luft war so kalt wie Wasser. Er stieg die Treppe hinab und
wandte sich nach rechts, stapfte die andere Seite des Hügels
hinunter. Hinter ihm
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