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Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Titel: Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler
Autoren: John Boyne
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sagt er und stößt mich mit aller Kraft von sich, heftiger, als er womöglich wollte, und ich stolpere und falle böse auf meine Schulter. Der Schmerz fährt mir durch den ganzen Körper.
    Er sieht mich an und beißt sich auf die Lippe, als bedauerte er seinen Ausbruch, aber im nächsten Moment ist da wieder nur noch Kälte in seinem Gesicht.
    »Hör zu, warum kannst du dich nicht einfach von mir fernhalten?«, fragt er. »Warum musst du immer in meiner Nähe sein? Warum muss ich ständig deine Stimme im Ohr haben? Zu hören, was du gerade gesagt hast, dreht mir den Magen um, sonst nichts. Ich liebe dich nicht, Tristan. Ich mag dich nicht mal mehr besonders. Du warst da, das ist alles. Du warst da. Ich empfinde nichts für dich, nur Verachtung. Warum bist du überhaupt hier drin? Hast du das alles tatsächlich so eingefädelt? Bist du nur über Marshall hergefallen, weil du hier zu mir reingeworfen werden wolltest?«
    Er macht einen Schritt auf mich zu und schlägt mir ins Gesicht. Es ist kein Hieb, wie er ihn vielleicht einem anderen Mann verpassen würde, sondern eine Ohrfeige. Mein Kopf wird zur Seite geworfen, und ich bin perplex, sprachlos und wie gelähmt.
    »Erwartest du was von mir, Tristan? Ist es das?«, fährt er fort. »Du kriegst es nicht. Kapierst du das nicht?«
    Und wieder schlägt er mich, und ich lasse ihn.
    »Glaubst du, ich könnte mit einem Kerl wie dir etwas zu tun haben wollen?«
    Er steht jetzt direkt vor mir und schlägt mich zum dritten Mal. Meine rechte Gesichtshälfte brennt vor Schmerz, aber ich schlage immer noch nicht zurück.
    »Mein Gott, wenn ich daran denke, was wir zusammen gemacht haben, wird mir schlecht. Kapierst du das? Dann könnte ich kotzen.«
    Ein vierter Schlag, und jetzt sehe ich rot und gehe auf ihn los, will zuschlagen, meinem Zorn freien Lauf lassen, aber er missversteht, was ich vorhabe, stößt mich von sich, und ich falle wieder auf meine Schulter. Es tut höllisch weh.
    »Lass mich in Ruhe!«, schreit Will. »Himmel, Tristan, ich stehe kurz davor zu sterben, und du willst der alten Zeiten zuliebe noch mal ran, ist es das? Was für ein Mensch bist du bloß?«
    »Das ist es nicht, was ich …«, fange ich an und komme wieder auf die Beine.
    »Verdammt, verdammt!«, schreit er und beugt sich vor. »Ich sterbe bald. Kannst du mich nicht mal für verdammte fünf Minuten in Ruhe lassen, damit ich mich sammeln kann?«
    »Bitte, Will«, sage ich. Tränen der Wut rinnen mir übers Gesicht, als ich die Hand nach ihm ausstrecke. »Es tut mir leid, in Ordnung? Wir sind Freunde …«
    »Wir sind keine verdammten Freunde!«, schreit er. »Und wir waren es auch nie! Kannst du das nicht verstehen, du Narr?« Er marschiert zur Tür und hämmert mit der Faust dagegen. »Holt den Kerl hier raus!«, brüllt er durch die Gitterstäbe und stößt mich gegen die Tür. »Ich will nur ein paar Minuten Frieden, bevor ich sterbe!«
    »Will«, sage ich, aber er schüttelt den Kopf. Trotzdem zieht er mich ein letztes Mal an sich.
    »Hör mir zu«, sagt er und flüstert die Worte leise in mein Ohr. »Und merke dir, was ich dir sage: Ich bin nicht wie du, und ich wünschte, wie wären uns verdammt noch mal nie begegnet. Wolf hat mir alles über dich erzählt. Er hat mir erklärt, was du bist, und ich bin aus Mitleid dein Freund geblieben. Weil ich wusste, dass niemand sonst dein Freund sein würde. Ich verabscheue dich, Tristan.«
    Mir ist schwindelig. Ich hätte nie gedacht, dass er so grausam sein könnte, aber er scheint jedes Wort, das er sagt, ernst zu meinen. Ich spüre die Tränen in meinen Augen. Ich öffne den Mund, habe aber keine Worte für ihn. Ich will auf meiner Pritsche liegen, das Gesicht der Wand zugekehrt, und so tun, als gäbe es ihn nicht. Aber da höre ich Schritte herbeilaufen und den Schlüssel im Schloss. Die Tür öffnet sich. Zwei Männer kommen herein und starren uns an.
    Ich stehe, wie es mir vorkommt, eine Ewigkeit im Hof und habe das Gefühl, mein Kopf müsste explodieren. In mir brennt ein Feuerball aus Wut. Ich hasse ihn. Alles, was er mich hat tun lassen, alles, was er gesagt hat. Die Art, wie er mich verlockt hat. Ein sengender Schmerz glüht in meiner Schulter, auf die er mich zweimal geworfen hat, und mein Gesicht ist von seinen Schlägen geschwollen. Ich sehe hinüber, dorthin, wo er noch immer eingesperrt ist, mit Corporal Harding und dem Feldgeistlichen. Ich will zu ihm, ihn bei der Kehle packen und seinen Kopf auf den Steinboden knallen, bis das Hirn
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