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Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Titel: Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler
Autoren: John Boyne
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zweiunddreißigjährigen Buchmanager mit breiten Hosenträgern und pomadisiertem Haar, der darauf bestand, dass ich die Einladung annahm. Er hatte mich vor meinen zwei zuletzt erschienenen Büchern von meinem langjährigen Lektor und Freund Davies geerbt, nachdem der dahingeschieden war.
    »Nun, zum einen wäre es sehr unhöflich«, sagte er in einem Ton, als wäre ich ein Kleinkind, das gescholten werden musste, weil es sich weigerte, nach unten zu kommen und die Gäste zu begrüßen und gleich auch ein, zwei Liedchen zu singen. »Und der Preis wird nur selten vergeben. Tatsächlich sind Sie erst der Vierte, dem er verliehen wird.«
    »Und die anderen drei sind tot«, bemerkte ich mit einem Blick auf die Liste meiner Vorgänger. Zwei waren Lyriker gewesen, einer hatte Romane geschrieben. »Das kommt davon, wenn man anfängt, Preise wie diesen anzunehmen. Dann gibt es nichts mehr zu erreichen, und du stirbst.«
    »Sie werden nicht sterben, Tristan.«
    »Ich bin einundachtzig«, erklärte ich ihm. »Ich bewundere Ihre positive Einstellung, aber selbst Sie, Leavitt, müssen zugeben, dass da eine sehr reale Möglichkeit besteht.«
    Doch das Drängen hörte nicht auf, und ich hatte am Ende nicht die Kraft, Nein zu sagen. Der Widerstand selbst hätte mich womöglich umgebracht. Also fuhr ich hin und setzte mich an den Kopf der Tafel, umgeben von intelligenten jungen Dingern, die mich charmant unterhielten und mir erklärten, wie sehr sie mich bewunderten, mit ihrer eigenen Arbeit aber etwas anderes anstrebten, obwohl es natürlich für alle jungen Menschen von grundlegender Bedeutung sei, auch die zu lesen, die früher einmal wichtig gewesen seien.
    Die Gesellschaft hatte mich mit sieben zusätzlichen Karten für den Abend versorgt, was ich für ein wenig gedankenlos hielt, da sie doch wussten, dass ich mein Leben als alleinstehender Mann verbracht und keinerlei Familie hatte, nicht einmal einen Neffen oder eine Nichte, die mich von Zeit zu Zeit besuchten und nach meinem Dahinscheiden meine Briefe sammeln würden. Ich überlegte, ob ich die Karten zurückschicken oder an der nahen Universität verteilen sollte, an der ich gelegentlich Kolloquien anbot. Am Ende gab ich sie einigen treuen Leuten, die sich über die Jahre um meine Interessen gekümmert hatten, Agenten, Pressedamen und so weiter, von denen die meisten längst im Ruhestand waren. Sie schienen nur zu gerne einen Abend dafür opfern zu wollen, mich zu feiern, was uns in gewisser Weise alle an die Zeit erinnerte, da wir noch im Zentrum des Geschehens gestanden hatten.
    »Wen möchten Sie beim Essen an Ihrer Seite haben?«, hatte mich eine Sekretärin gefragt, die mich am hellen Vormittag anrief, was mich fürchterlich aus der Arbeit riss, schreibe ich doch zwischen acht Uhr morgens und zwei Uhr nachmittags.
    »Prinz Charles«, sagte ich, ohne weiter nachzudenken. Ich hatte ihn einmal auf einer Gartenparty getroffen, und er hatte mich mit seinen spontanen Bemerkungen über Orwell und die Armut ziemlich beeindruckt, aber weiter ging unsere Bekanntschaft auch nicht.
    »Oh«, sagte die Sekretärin und klang ein wenig verstimmt. »Ich glaube nicht, dass er auf der Gästeliste steht.«
    »Dann überlasse ich diese Frage ganz Ihrer weisen Entscheidung«, sagte ich, beendete das Gespräch und ließ den Hörer für den Rest des Tages neben dem Telefon liegen.
    Am Ende saß ein junger Mann zu meiner Linken, der vor Kurzem erst zum besten Jungschriftsteller der Welt ernannt worden war, oder so ähnlich, auf Grundlage eines Kurzromans und einer Erzählungssammlung. Er hatte wallende blonde Locken und erinnerte mich ein wenig an Sylvia Carter zu ihren besten Zeiten. Beim Sprechen wedelte er mit seiner Zigarette herum und blies mir den Rauch ins Gesicht. Ich fand ihn so gut wie unerträglich.
    »Ich hoffe, es stört Sie nicht«, sagte er und holte unter dem Tisch eine Tüte von Foyles an der Charing Cross Road hervor. »Ich habe am Nachmittag ein paar Ihrer Bücher gekauft. Könnten Sie mir die signieren?«
    »Aber sicher doch«, sagte ich. »Und wem soll ich sie widmen? Welchen Namen soll ich hineinschreiben?«
    »Nun, meinen natürlich«, sagte er grinsend und gefiel sich sichtlich. Ich war überzeugt davon, dass seine Bewunderung für mich nur ein Vorwand war, um zu diesem Abend eingeladen zu werden.
    »Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?«, sagte ich höflich.
    Nachdem ich die Bücher brav signiert hatte und die Tasche wieder unter dem Tisch verstaut war, zwinkerte er
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