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Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Titel: Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler
Autoren: John Boyne
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sich geändert, Will. Milton ist tot«, sage ich und weiß nicht, ob die Information schon bis zu ihm vorgedrungen ist. »Es nutzt also sowieso nichts mehr. Du kannst nichts mehr dafür tun, dass er zur Rechenschaft gezogen wird. Lass es gut sein.«
    Er überlegt einen Moment lang, wägt die Dinge ab. »Es tut mir leid, dass er tot ist«, sagt er. »Aber das ändert nichts. Es geht ums Prinzip.«
    »Das tut es nicht«, widerspreche ich ihm. »Es geht um dein Leben.«
    »Dann kriege ich Milton ja vielleicht in ein paar Stunden am Kragen.«
    »Bitte, Will«, sage ich entsetzt.
    »Ich hoffe, da oben im Himmel gibt’s keinen Krieg.«
    »Will …«
    »Wäre das nicht eine schreckliche Vorstellung, Tristan? Das hier alles hinter sich zu lassen, nur um herauszufinden, da oben geht der Krieg zwischen Gott und Luzifer weiter? Mich Ihm zu verweigern, wird sicher nicht so leicht.«
    »Hör zu, lass diese verdammte Schnoddrigkeit. Wenn du dich bereit erklärst, wieder raus ins Feld zu gehen, lässt der Alte dich frei. Er braucht jeden Soldaten, den er bekommen kann. Vielleicht machen sie dir dann nach dem Krieg den Prozess, aber wenigstens bist du nicht tot.«
    »Ich kann das nicht, Tris«, sagt er. »Ich würde es gerne, wirklich. Ich will nicht sterben. Ich bin neunzehn Jahre alt und habe mein ganzes Leben noch vor mir.«
    »Dann stirb nicht«, sage ich und gehe auf ihn zu. »Stirb nicht, Will.«
    Er zieht die Brauen zusammen und sieht zu mir auf. »Hast du keine Prinzipien, Tristan?«, fragt er mich. »Prinzipien, für die du dein Leben geben würdest, meine ich?«
    »Nein«, sage ich und schüttele den Kopf. »Für Menschen vielleicht, aber nicht für Prinzipien.«
    »Das ist der Grund, warum es mit uns immer so schwierig war«, sagt Will. »Wir sind zu verschieden, das ist es. Du glaubst wirklich an gar nichts, oder? Während ich …«
    »Hör auf, Will«, sage ich.
    »Ich sage das nicht, um dir wehzutun, Tristan, wirklich nicht. Ich meine nur, dass du vor den Dingen davonläufst. Vor deiner Familie zum Beispiel. Vor Freundschaften. Vor der Entscheidung zwischen richtig und falsch. Ich laufe nicht davon. Ich kann das nicht. Natürlich wäre ich gerne mehr wie du. Dann hätte ich eine größere Chance, lebend aus dieser verdammten Sauerei herauszukommen.«
    Ich spüre, wie die Wut in mir hochkocht. Selbst jetzt, selbst in dieser Situation kommt er mir von oben herab. Ich frage mich, warum ich je etwas für ihn empfunden habe.
    »Bitte«, sage ich und versuche, mich nicht von meinem Groll überwältigen zu lassen. »Sag mir einfach, was ich tun soll, damit dieser Wahnsinn ein Ende hat. Ich tue, was immer du willst.«
    »Ich will, dass du zu Clayton gehst und ihm sagst, dass Milton den Jungen kaltblütig ermordet hat. Tu das, wenn du wirklich meinst, was du sagst. Und wenn du schon dabei bist, sag ihm auch gleich, was du über den Mord an Wolf weißt.«
    »Milton ist tot«, sage ich. »Und Wolf auch. Was wäre dadurch gewonnen?«
    »Ich wusste, du würdest es nicht tun.«
    »Aber es hätte keine Bedeutung mehr«, sage ich. »Dadurch wäre nichts gewonnen.«
    »Siehst du die Ironie nicht, Tristan?«
    Ich starre ihn an und schüttele den Kopf. Er scheint entschlossen, nichts weiter zu sagen, bevor ich nicht antworte. »Welche Ironie?«, frage ich schließlich, und die Worte holpern aus meinem Mund.
    »Dass sie mich als Feigling erschießen, während du überlebst, obwohl du doch der Feigling bist.«
    Ich drehe mich weg und gehe in die entfernteste Ecke der Zelle. »Du bist einfach nur gemein«, sage ich leise.
    »Bin ich das? Ich dachte, ich sei ehrlich.«
    »Warum musst du immer so gemein sein?«, frage ich ihn.
    »Das habe ich hier gelernt«, erklärt er mir. »Du auch. Du hast es bloß noch nicht begriffen.«
    »Aber die versuchen doch auch, uns zu töten«, protestiere ich. »Du warst in den Gräben. Du hast die Kugeln um deinen Kopf fliegen hören. Du warst im Niemandsland und bist zwischen den Leichen herumgekrochen.«
    »Ja, und wir machen es wie sie. Macht uns das nicht genauso schlecht? Ich meine es ernst, Tristan, die Frage interessiert mich. Hilf mir, das zu verstehen.«
    »Mit dir kann man nicht reden«, sage ich.
    »Warum?«, fragt er und klingt ehrlich verblüfft.
    »Weil du nur glauben willst, was immer zu glauben du dich entschieden hast, und auf kein anderslautendes Argument hörst. Du hast all diese Meinungen, die dir helfen, dich für einen besseren Menschen zu halten, aber wo bleiben deine hochtrabenden
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