Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Titel: Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler
Autoren: John Boyne
Vom Netzwerk:
gerechnet, dass ich in Sergeant Claytons Augen zum Helden aufsteigen würde, auch wenn sich der Mann unmöglich einschätzen lässt. Wahrscheinlich drischt er gleich wieder auf mich ein.
    »Trotzdem, Sie müssen verstehen, Sadler«, sagt er, »dass ich solche Sachen nicht ungestraft durchgehen lassen kann. Das ist Ihnen doch klar? Sonst kommen wir in Teufels Küche.«
    »Natürlich, Sir.«
    »Was mache ich also mit Ihnen?«
    Ich starre ihn an und weiß nicht, ob das eine rhetorische Frage ist oder nicht. Mich zurück nach England schicken? , würde ich am liebsten sagen, halte mich aber zurück, da ich ihn damit nur in Rage bringen würde.
    »Sie werden für die nächsten Stunden in Isolationshaft gehen«, sagt er endlich und nickt mit dem Kopf. »Und Sie entschuldigen sich vor der gesamten Truppe bei Marshall, wenn er morgen seinen Dienst wieder aufnimmt. Schütteln ihm die Hand und sagen, dass im Krieg wie in der Liebe alles erlaubt ist, so in etwa. Die Männer müssen sehen, dass sie nicht einfach so ohne Folgen aufeinander einschlagen können.«
    Er sieht zur Tür und ruft nach Corporal Harding, der einen Moment später hereinkommt. Harding muss die ganze Zeit draußen gestanden und unser Gespräch verfolgt haben.
    »Sperren Sie den Rekruten Sadler bis Sonnenaufgang in Isolationshaft.«
    »Ja, Sir«, sagt Harding, und ich höre an seiner Stimme, dass ihm nicht klar ist, was Clayton damit meint. »Wo genau soll ich ihn denn einsperren?«
    »In I-so-la-tions-haft«, wiederholt der Sergeant und dehnt dabei die Silben, als redete er mit einem Kind oder einem Schwachsinnigen. »Sie verstehen doch Englisch, oder?«
    »Wir haben nur eine Zelle, Sir, und in der sitzt Bancroft«, antwortet Harding. »Und der soll allein bleiben.«
    »Nun, dann sind sie eben zusammen allein«, fährt Clayton ihn an, stört sich nicht an dem offensichtlichen Widerspruch und scheucht uns hinaus. »Da können sie sich gemeinsam hingebungsvoll in ihrem grenzenlosen Leid suhlen und es sich gegenseitig auszutreiben helfen. Und jetzt verschwindet hier, ihr zwei, ich hab zu arbeiten.«
    »Dir ist doch klar, dass du die Deutschen bekämpfen sollst und nicht unsere eigenen Leute?«
    »Sehr komisch«, sage ich und setze mich auf eine der Pritschen. Die Wände sind nass und bröseln. Durch die vergitterte Öffnung in der Tür fällt etwas Licht in die Zelle.
    »Ich muss sagen, dass ich ein bisschen überrascht bin«, sagt Will, überlegt und scheint trotz der Umstände leicht amüsiert. »Ich hätte dich nicht für einen Schläger gehalten. Warst du in der Schule auch so?«
    »Gelegentlich. Wie alle anderen auch. Du etwa nicht?«
    »Manchmal.«
    »Und doch willst du nicht mehr kämpfen.«
    Er lächelt, sehr langsam, und sieht mir so eindringlich in die Augen, dass ich den Blick schließlich abwenden muss. »Bist du deswegen hier?«, fragt er. »Hast du die ganze Sache angezettelt, um auch hier zu landen und mich so vielleicht noch umstimmen zu können?«
    »Ich habe dir genau erzählt, warum ich hier bin«, sage ich verärgert über die Unterstellung. »Ich bin hier, weil dieser verdammte Narr Marshall eine Abreibung brauchte.«
    »Den kenne ich nicht, oder?«, fragt Will mit gefurchter Stirn.
    »Nein, er ist neu. Aber machen wir uns um den keine Sorgen. Clayton verliert den Verstand, das kann jeder sehen. Ich denke, wir können dagegen angehen. Wir müssen nur mit Wells und Harding reden und …«
    »Wogegen angehen, Tristan?«, fragt er mich.
    »Na, das hier«, sage ich verblüfft und sehe mich in der Zelle um, als wäre jede weitere Erklärung unnötig. »Was denkst du, wovon ich rede? Von deinem Urteil natürlich.«
    Er schüttelt den Kopf, und ich sehe, dass er leicht zittert. Er hat also doch Angst. Er will leben. Er sagt lange nichts, und auch ich schweige. Ich will ihn nicht drängen. Ich will warten, bis er sich selbst entscheidet.
    »Der Alte war ein paarmal hier«, sagt er endlich, hält die Arme vor sich hin und öffnet die Hände, als ließe sich in ihnen eine Antwort finden. »Er hat versucht, mich umzustimmen. Dass ich mein Gewehr wieder in die Hand nehme. Es ist nicht richtig, sage ich ihm, aber das will er nicht hören. Ich glaube, er versteht es als persönliche Beleidigung.«
    »Er hat wahrscheinlich keine Lust, General Fielding berichten zu müssen, dass ausgerechnet einer seiner eigenen Leute nicht mehr kämpfen will.«
    »Ein Mann aus Aldershot!«, sagt Will und legt den Kopf etwas zur Seite. »Diese Schande!«
    »Die Dinge haben
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher