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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest
Autoren: Frederick Forsyth
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es schon mal gesehen. Der Polizist und der flüchtige Russe starrten sich an. Dieses Gesicht, an einem Rednerpult, wie es zu den Massen schrie.
    »Ich weiß, wer Sie sind«, sagte er. »Sie sind Igor Komarow.«
    Komarow und Kusnezow wurden verhaftet und nach Moskau zurückgebracht. Man klagte den ehemaligen Vorsitzenden der UPK des Hochverrats an und steckte ihn bis zum Prozeß in Untersuchungshaft. Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie, daß er seine Zeit im Lefortowo-Gefängnis absitzen mußte.
    Zehn Tage lang drehte sich nahezu jedes Gespräch um die Zukunft des Landes, während in Zeitungen, Zeitschriften, Radio- und Fernsehsendern ein Experte nach dem anderen um seine Meinung gefragt wurde.
    Am Freitag nachmittag, dem vierzehnten Januar, hielt Pater Gregor Rusakow eine Erweckungsversammlung im Olympiastadion in Moskau ab. So wie zuvor Komarows Ansprachen wurde seine Rede landesweit übertragen und erreichte laut Meinungsumfragen etwa achtzig Millionen Russen.
    Sein Anliegen war einfach und klar. Siebzig Jahre lang hatte das russische Volk die beiden Götter des dialektischen Materialismus und des Kommunismus angebetet und war von beiden betrogen worden. Fünfzehn Jahre lang hatte es im Tempel des republikanischen Kapitalismus gebetet und erlebt, wie seine Hoffnungen verraten wurden. Deshalb, so drängte er seine Zuhörer, sollten sie alle sich am morgigen Tag wieder dem Gott ihrer Vorväter zuwenden, zur Kirche gehen und um Beistand bitten.
    Ausländische Beobachter hatten seit langem den Eindruck, daß die russische Bevölkerung nach siebzig Jahren kommunistischer Industrialisierung in erster Linie aus Stadtbewohnern bestand. Das war ein Irrtum. Selbst im Winter des Jahres 1999 lebte die Hälfte der Russen noch immer unbeachtet und unauffällig in kleinen Städten und Dörfern auf dem Land, diesem weiten Land, das sich über sechstausend Kilometer und neun Zeitzonen von Weißrußland bis Wladiwostok erstreckt.
    Dieses große Land gliedert sich in hunderttausend Kirchsprengel, die in den hundert Bischofssitzen der russischorthodoxen Kirche zusammengefaßt werden und alle ihre Pfarrkirchen mit großem oder kleinem Zwiebelturm haben.
    Zu ebendiesen Kirchen strömte die Hälfte der russischen Bevölkerung am Sonntag, dem sechzehnten Januar, durch bittere Kälte, und hörte das von jeder Kanzel verlesene Sendschreiben des Patriarchen.
    Dieses Schreiben, das später als große Enzyklika bekannt werden sollte, war vermutlich das kraftvollste und mitreißendste Schriftstück, das Alexei II. jemals aufgesetzt hatte. In der Woche zuvor war es in einer Konklave der Metropoliten, also der Bischöfe, in einer zwar nicht einmütig, doch überzeugenden Abstimmung genehmigt worden.
    Nach dem Frühgottesdienst gingen die Russen von den Kirchen zu den Wahllokalen. Aufgrund der Größe des Landes und der fehlenden Technologie in den ländlichen Bezirken dauerte die Auszählung der Stimmen zwei Tage. Das Verhältnis der gültigen Stimmen war fünfundsechzig zu fünfunddreißig Prozent – für die Monarchie.
    Am zwanzigsten Januar nahm die Duma den Entscheid an und bestätigte das Ergebnis. Außerdem verabschiedete sie zwei Anträge. Mit dem ersten Antrag wurde Iwan Markows Übergangsregierung bis zum einunddreißigsten März im Amt verlängert, der zweite Antrag veranlaßte die Einsetzung eines Verfassungskomitees, das die Verabschiedung des Volksentscheids als Gesetz vorbereiten sollte.
    Am zwanzigsten Februar baten der amtierende Präsident und die Duma aller Russen einen außerhalb Rußlands lebenden Prinzen, die Aufgaben eines Herrschers innerhalb einer konstitutionellen Monarchie wahrzunehmen und den Titel eines Zaren aller Reußen zu tragen.
    Zehn Tage später landete nach langem Flug ein russisches Verkehrsflugzeug auf dem Flughafen Wnukowo in Moskau.
    Der Winter ging dem Ende entgegen. Die Temperatur war auf mehrere Grad über Null gestiegen, und die Sonne schien. Aus den Birken- und Kiefernwäldern hinter dem kleinen, für Sondermaschinen reservierten Flugplatz drang ein Duft nach Erwachen und feuchter Erde herüber.
    Vor dem Flughafengebäude stand Iwan Markow mit einem großen Empfangskomitee, zu dem der Präsident der Duma, die Vorsitzenden aller wichtigen Parteien, die Stabschefs und der Patriarch Alexei II. zählten.
    Aus dem Flugzeug trat der Mann, den die Duma eingeladen hatte, der siebenundfünfzig Jahre alte Prinz aus dem britischen House of Windsor.
    Weit im Westen, in einer ehemaligen Remise am Rand des
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