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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest
Autoren: Frederick Forsyth
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ideale Deckung für Grischin. Die Kutschen standen auf erhöhten Podesten und waren von den Besuchern nicht durch einen Glaskasten, sondern durch Seile getrennt, die an senkrechten Pfosten rund um die Podeste gespannt waren.
    Monk steckte vorsichtig den Kopf um die Staatskarosse, die Elisabeth I. von England im Jahr 1600 Boris Godunow zum Geschenk gemacht hatte, und versuchte, seinen Feind auszumachen, aber im Saal war es stockfinster; selbst die Kutschen ließen sich nur als vage Umrisse erkennen.
    Dann riß die Wolkendecke vor den hohen, schmalen Fenstern auf und ließ einen einzelnen Mondstrahl in den Saal fallen. Die Fenster waren diebstahlsicher und doppelt verglast; das Licht war äußerst schwach.
    Doch etwas blitzte auf. Irgendwo hinter dem reichverzierten und vergoldeten Rad der Kutsche der Zariza Elisabeth leuchtete in dieser tiefen Dunkelheit ein winziger Punkt auf.
    Monk versuchte sich an die Anweisungen George Sims' in Schloß Forbes zu halten. Vergiß den OK-Corral – das ist bloß ein Märchen.
    Monk hob die Sig Sauer mit beiden Händen und zielte auf einen Punkt zehn Zentimeter über dem Lichtpunkt. Langsam einatmen, ruhig bleiben, Feuer.
    Die Kugel schlug durch die Radspeichen und traf auf etwas Weiches dahinter. Kaum war das Echo verklungen und das Summen in seinen Ohren verstummt, hörte er, wie etwas Schweres zu Boden glitt und dumpf aufschlug.
    Das konnte eine Falle sein. Er wartete fünf Minuten, doch der Schatten auf dem Boden neben der Kutsche rührte sich nicht. Vorsichtig huschte er von Deckung zu Deckung, vorbei an den alten, hölzernen Fahrzeugen, bis er den Rumpf und den Kopf mit zu Boden gewandtem Gesicht sehen konnte. Erst dann trat er näher heran, die Pistole schußbereit, und drehte den Körper um.
    Der Schuß hatte Oberst Anatoli Grischin direkt über dem linken Auge erwischt. Das, hätte George Sims gesagt, dürfte für eine Weile reichen. Jason Monk sah auf den Mann, den er gehaßt hatte, und fühlte nichts. Er hatte nur getan, was getan werden mußte.
    Er steckte die Pistole ein, bückte sich, griff nach der linken Hand des Toten und zog etwas von einem der Finger.
    Im Dämmerlicht war der kleine Gegenstand in seiner Hand kaum zu erkennen: amerikanisches Silber, das im Mondlicht geglitzert hatte, ein leuchtender Türkis, von den Utah oder Navajos aus dem Stein der Berge geschlagen. Ein Ring, der von den Hochebenen seines eigenen Landes kam, der auf einer Parkbank auf Jalta einem tapferen Mann gegeben und auf einem Hof im Lefortowo-Gefängnis einem Toten vom Finger gezogen worden war.
    Er steckte den Ring ein, drehte sich um und ging zu seinem Wagen. Die Schlacht um Moskau war zu Ende.
EPILOG
    Am Morgen des ersten Januar erfuhren Moskau und ganz Rußland, welch schreckliche Ereignisse sich in ihrer Hauptstadt zugetragen hatten. Fernsehkameras übertrugen die Bilder in jeden Winkel des großen Landes, und die Nation reagierte mit Betroffenheit auf das, was sie sah.
    Der Kreml bot einen Anblick der Verwüstung. Die Fassaden der Uspenskij- und der Erzengel-Michael-Kathedrale waren von Einschüssen übersät. Glasscherben glitzerten auf Schnee und Eis.
    Schwarze Brandflecken von brennenden Fahrzeugen verunzierten die Außenwände des Terem- und Facettenpalastes, und die Mauern des Senats und des Großen Kremlpalastes waren von Maschinengewehrfeuer zerfetzt.
    Unter der Zarenkanone lagen dicht zusammengedrängt zwei Leichen, und die Aufräumarbeiter brachten weitere Tote aus dem Arsenal und dem Kongreßpalast, wohin sich die Schwarzgardisten in den letzten Minuten ihres Lebens geflüchtet hatten.
    Die Panzerwagen und Laster der Schwarzen Garde qualmten und rauchten im Morgenlicht. Die Flammen hatten den Asphalt geschmolzen, der später in der Kälte zu Wellen erstarrt war.
    Der amtierende Präsident Iwan Markow flog sogleich aus seinem Urlaubsort zurück und traf gegen Mittag ein. Am späten Nachmittag empfing er den Patriarchen von Moskau und ganz Rußland zu einem Gespräch unter vier Augen.
    Alexei II. übte zum ersten und einzigen Mal direkten Einfluß auf die politischen Geschehnisse in Moskau aus. Er argumentierte, daß es nun unmöglich sei, die Präsidentschaftswahl wie geplant am sechzehnten Januar abzuhalten, und daß dieses Datum einer Volksabstimmung über die Wiedereinrichtung der Monarchie vorbehalten sein sollte.
    Markow war übrigens für diese Idee sehr aufgeschlossen, schließlich war er kein Narr. Vier Jahre zuvor hatte der verstorbene Präsident Tscherkassow ihn
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