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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest
Autoren: Frederick Forsyth
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triumphale Verkündung des Staatsstreichs aber, die für die Morgennachrichten vorgesehen war, wurde verschoben, da die zweitausend Schwarzgardisten aus den Fenstern zusehen konnten, wie die Panzer langsam den Boulevard hinauffuhren und ihre Laster einen nach dem anderen in Brand schossen.
    Der Kreml ist auf einem Hügel an der Moskwa erbaut worden, dessen Hänge mit Bäume und vielen immergrünen Sträuchern bewachsen sind. Hinter der Westmauer liegt der Alexandrowskigarten. Unter Bäumen führen Wege zum Borowitskitor. Keiner der Soldaten innerhalb der Kremlmauern sah die einsame Gestalt, die aus dem Gebüsch trat und auf das offene Tor zuging; es sah auch niemand, wie der Mann die letzte Anhöhe zur Auffahrt hinauflief und in den Kreml huschte.
    Als er aus dem Torbogen auftauchte, glitt das Licht eines der Scheinwerfer von Andrejews Panzern über ihn, aber die Mannschaft hielt ihn für einen ihrer Leute. Seine Steppjacke ähnelte ihren eigenen Uniformjacken, und sein runder Pelzhut glich eher ihrer Kopfbedeckung als den schwarzen Stahlhelmen von Grischins Garde. Wer auch immer am Scheinwerfer saß, konnte den Mann für einen Panzergrenadier aus dem zusammengeschossenen Panzerwagen, der unter dem Torbogen Schutz gesucht hatte, halten.
    Der Scheinwerfer strahl huschte über ihn hinweg und verschwand, als Jason Monk den Torbogen verließ, die Kiefern als Deckung nutzte und nach rechts rannte. Aus dem Schutz der Dunkelheit heraus beobachtete er die Umgebung und wartete.
    Es gibt neunzehn Türme in der Kremlmauer, doch nur drei von ihnen haben begehbare Tore. Touristen betreten und verlassen den Kreml durch das Borowitski- oder das Dreifaltigkeitstor, Truppen kommen und gehen durch das Spasskitor. Von den drei Toren stand nur eines weit offen, und Monk wartete in der Nähe.
    Ein Mann, der sich retten wollte, mußte das ummauerte Gelände verlassen. Bei Tagesanbruch würden die Staatstruppen die Besiegten aus ihren Verstecken treiben, aus jedem Zimmer, jeder Sakristei, jedem Schrank und jeder Speisekammer, selbst aus den geheimen Räumen des Kommandantenhauses am Spasskigarten. Wer also am Leben bleiben und nicht im Gefängnis landen wollte, würde wissen, daß er bald durch das einzige offene Tor verschwinden mußte.
    Von seinem Platz aus konnte Monk die Rüstkammer sehen, dieses Schatzhaus einer tausendjährigen russischen Geschichte, dessen Tür zersplittert in ihren Scharnieren hing, seit ein Panzer sie bei einer Kehrtwende eingedrückt hatte. Die flackernden Flammen eines brennenden Panzerwagens der Schwarzen Garde ließen die Fassade rot aufglühen.
    Das Kampfgeschehen entfernte sich vom Tor in Richtung Alter Senat und dem Arsenal in der Nordostecke der Festung. Das Feuer des brennenden Wagens prasselte.
    Kurz nach zwei bemerkte er eine Bewegung an der Mauer des Großen Kremlpalasts, dann sah er einen schwarz uniformierten Mann in gebückter Haltung an der Fassade der Rüstkammer entlanglaufen. Beim brennenden Panzerwagen blieb er stehen und sah sich nach Verfolgern um. Ein Reifen fing Feuer und brannte lichterloh, so daß der Fliehende sich rasch umwandte, doch Monk hatte sein Gesicht in dem gelben Licht bereits erkannt. Er hatte es nur einmal zuvor gesehen, und zwar auf einem Foto an einem Strand in der Sapodilla Bay auf den Turks- und Caicosinseln. Er trat hinter seinem Baum hervor.
    »Grischin.«
    Der Mann blickte auf und schaute angestrengt in das Zwielicht unter den Kiefern. Dann erkannte er, wer ihn gerufen hatte. Er trug eine Kalaschnikow, eine AK 47 mit abgeknicktem Lauf. Monk sah, wie der Lauf hochklappte, und sprang zurück hinter den Baum. Dann hörte er einen knatternden Feuerstoß. Holz splitterte aus dem Stamm. Gleich darauf war es wieder still.
    Monk spähte hinter dem Stamm hervor. Grischin war verschwunden. Zwischen ihm und dem Tor lagen knapp zwanzig Meter, für Monk waren es nur drei. Also war Grischin noch nicht an ihm vorbei.
    Gerade noch rechtzeitig sah Monk, wie sich die Mündung der AK 47 aus der zertrümmerten Tür schob, und wich zurück, als die Kugeln erneut den Baum vor ihm zerfetzten. Dann hörte das Feuer wieder auf. Zwei Magazinhälften, schätzte Monk, sprang hinter dem Baum hervor und rannte über die Straße, um sich eng an die ockerfarbene Wand des Museums zu drücken. Die Sig Sauer hielt er an die Brust gepreßt.
    Wieder schob sich der Lauf durch die Tür, während der Schütze sein Ziel auf der anderen Straßenseite suchte. Da Grischin nichts sehen konnte, trat er noch einen
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