Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest
Autoren: Frederick Forsyth
Vom Netzwerk:
Augenblick klingelte der Apparat erneut.
    »Kommen Sie, Mischa, wir warten auf Sie.«
    Sein Erster Offizier rief aus dem Klub an.
    »Ich komme, Konni. Muß nur noch ein paar Anrufe erledigen.«
    »Lassen Sie uns nicht zu lange warten, sonst müssen wir ohne Sie anfangen.«
    Er wählte eine Nummer.
    »Verteidigungsministerium«, sagte eine Stimme.
    »Geben Sie mir den diensthabenden Offizier der Nachtwache.«
    In Sekundenschnelle war eine andere Stimme in der Leitung zu hören.
    »Wer spricht dort?«
    »Generalmajor Andrejew, Kommandant der Tamanskaja.«
    »Ich bin der stellvertretende Verteidigungsminister Butow.«
    »Aha, tut mir leid, daß ich Sie belästige. Ist in Moskau alles in Ordnung?«
    »Natürlich. Warum fragen Sie?«
    »Nur so, Herr Minister. Ich habe da einige Gerüchte gehört, höchst seltsam. Ich könnte unterwegs sein in.«
    »Sie bleiben auf Ihrem Stützpunkt, General. Das ist ein Befehl. Alle Einheiten bleiben auf ihren Stützpunkten. Gehen Sie zurück in Ihren Offiziersklub.«
    »Jawohl, Herr Minister.«
    Er legte den Hörer wieder auf. Der stellvertretende Verteidigungsminister? In der Schaltzentrale um zehn Uhr abends in der Silvesternacht? Warum zum Teufel war er nicht bei seiner Familie oder vögelte seine Geliebte irgendwo draußen auf dem Land? Er zermarterte sein Gehirn auf der Suche nach einem Namen, der irgendwo in seinem Gedächtnis vergraben liegen mußte, ein Kamerad vom Offizierskolleg, der zu den Nachrichtenleuten gegangen war, zu diesen Typen vom GRU. Schließlich zog er ein geheimes Militärtelefonbuch zu Rate und rief an.
    Er hörte es lange klingeln und sah auf seine Uhr. Zehn vor elf. Die waren natürlich alle besoffen. Dann nahm jemand auf dem Flughafen Khodinka den Hörer ab. Noch ehe er ein Wort sagen konnte, schrie eine Stimme: »Ja, hallo?«
    Im Hintergrund war ein lautes Scheppern zu hören.
    »Wer sind Sie?« fragte er. »Ist Oberst Demidow da?«
    »Woher verdammt noch mal soll ich das wissen?« schrie die Stimme. »Ich liege hier auf dem Boden und bin froh, wenn mich keine Kugel trifft. Sind Sie vom Verteidigungsministerium?«
    »Nein.«
    »Dann hör zu, Mann! Ruf sie an und sag ihnen, sie sollen Verstärkung schicken, und zwar schnell. Lange halten wir nämlich nicht mehr durch.«
    »Was für eine Verstärkung?«
    »Das Ministerium will uns Truppen aus der Stadt schicken. Hier ist der Teufel los.«
    Der Sprecher knallte den Hörer auf und kroch wahrscheinlich wieder in Deckung.
    General Andrejew stand da, den Hörer in der Hand und dachte: Nein, das tut es nicht; es wird euch überhaupt nichts schicken.
    Der Befehl war korrekt und eindeutig. Er kam von einem Viersternegeneral, einem Minister der Regierung. Bleiben Sie auf dem Stützpunkt! Er brauchte nur dem Befehl zu gehorchen.
    Er starrte hinaus über den zehn Meter langen, schneebedeckten Kiesweg auf die hell erleuchteten Fenster des Offizierklubs, aus dem Lachen und fröhliches Geschrei herüberklangen.
    Doch dann sah er im Schnee eine hohe, gerade Gestalt mit einem kleinen Kadetten an der Seite. Was sie dir auch versprechen, sagte der große Mann, ob Geld, Beförderung oder Ehre, ich will nicht, daß du jemals diese Männer verrätst.
    Er tippte auf die Telefongabel, unterbrach das Besetztzeichen und wählte zwei Nummern. Sein Erster Offizier meldete sich, im Hintergrund schallendes Gelächter.
    »Konni, ich weiß nicht, wie viele T-80 einsatzbereit sind, auch nicht wie viele BTR, aber ich will sämtliche Fahrzeuge dieser Kaserne, jeden Soldaten, der noch stehen kann, in einer Stunde mit voller Bewaffnung abmarschbereit sehen.«
    Einige Sekunden herrschte Stille.
    »Meinen Sie das ernst?« fragte Konni.
    »Todernst, Konni. Die Tamanskaja rollt nach Moskau.«
    Eine Minute nach Mitternacht im Jahr des Heils zweitausend rollten die Ketten des ersten Panzers der Taman-Garde aus der Kaserne Kobjakowa und wandten sich der Minsker Autobahn und den Toren des Kreml zu.
    Die schmale Landstraße von der Kaserne bis zur Autobahn, über die die Kolonne von sechsundzwanzig T-80-Kampfpanzern und einundvierzig BTR-80-Panzerwagen hintereinander und mit gedrosseltem Tempo fahren mußten, war nur drei Kilometer lang.
    Kaum waren sie auf der Autobahn, gab General Andrejew Befehl, beide Fahrstreifen zu benutzen und auf maximale Fahrgeschwindigkeit zu erhöhen. Die Wolken brachen auf, und einzelne Sterne leuchteten hell und strahlend hindurch. Links und rechts der donnernden Kolonne ächzten die Kiefernwälder in der Kälte.
    Bis zu den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher