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Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)

Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)

Titel: Auch wir sind Deutschland: Ohne uns geht nicht. Ohne euch auch nicht. (German Edition)
Autoren: Anis Mohamed Youssef Ferchichi , Marcus Staiger
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Einleitung
    Als ich im November 2011 den Medienpreis für Integration, den sogenannten Integrationsbambi, bekommen habe, schlugen die Wellen hoch. Die Medien flippten aus. Wie kann man nur, wie ist das möglich? Was hat dieser Arsch mit Integration zu tun? Warum ausgerechnet der, dieser schmutzige, intolerante, rassistische, schwulenfeindliche und arrogante Sack? Warum der? Warum der? Warum ausgerechnet der?
    Nun gut. Sagen wir es mal so: Vielleicht habe ich den Preis für Integration tatsächlich nicht verdient und vielleicht hätte man diesen Preis viel besser und viel verdienter an jedes x-beliebige Jugendhaus in Berlin-Neukölln oder Hamburg-Ossendorf vergeben sollen.
    Auf der anderen Seite aber: Warum nicht an mich? Habe ich es in dieser Gesellschaft nicht geschafft, als Kind eines Ausländers nach oben zu kommen? Ganz nach oben? Habe ich es als Junge aus der unteren Mittelschicht nicht geschafft, dauernd in der Bild-Zeitung zu stehen, in der Gala oder der Bunten und sogar vor dem Brandenburger Tor aufzutreten? Habe ich es als Angehöriger einer anderen Klasse nicht geschafft, dorthin zu kommen, wo sich die Burdas, Springers, Schröders, Merkels und Sixts dieser Welt tummeln? Habe ich das alles nicht geschafft? Habe ich nicht das Einzige geschafft, was diese Welt versteht und was noch immer das Integrationsmedium Nummer eins ist: Ich bin zu Geld gekommen? Habe ich mich nicht nach oben gearbeitet, bin ich nicht reich und gesellschaftlich das geworden, was man gemeinhin als prominent bezeichnet?
    Folgt man dieser Logik, dann habe ich diesen Preis voll und ganz zu Recht bekommen. Folgt man irgendeiner anderen Logik, einer Sozialarbeiterlogik, einer menschlicheren Logik, einer bildungsbürgerlicheren Logik, dann mag die Kritik zu Recht geäußert werden, aber solange es in dieser Gesellschaft um Geld, Macht und Einfluss geht – seid doch einfach still. Ich bin euer bestintegrierter »Quotenkanake« schlechthin. Ich bin euer persönlicher Albtraum. Ein junger, unbequemer Ausländer – mit sehr viel Geld!
    Als im April 2013 der Stern eine Geschichte über mich veröffentlichte, war ich wieder auf der Titelseite. Nun wurde mein Reichtum infrage gestellt. Nun ging es nicht mehr um die Frage, ob ich es gesellschaftlich nach oben geschafft hatte, sondern wie und mit welchen Leuten, und es wurden Gerüchte laut, ich hätte mich an die Mafia verkauft.
    Den Vergleich »ein Frank Sinatra in Jogginghosen« fand ich hierbei äußerst gelungen, auch wenn mich die Story nur ein paar Wochen nach dem Tod meiner Mutter ein wenig auf dem falschen Fuß erwischte. So lustig, wie ich ansonsten darauf hätte reagieren können, war mir zu diesem Zeitpunkt einfach nicht zumute.
    Abgesehen davon, stand in dieser Geschichte nichts drin, was nicht schon vorher an Vorwürfen gegen mich und meine Freunde existiert hatte, außer dass der Stern mit einer Generalvollmacht aufwarten konnte, die ich einem Freund und Geschäftspartner ausgestellt habe. Dass diese lediglich für ein gemeinsames Immobilienprojekt in Rüdersdorf gilt und zudem beschränkt ist, hat der Stern wohlweislich weggelassen.
    Mir kam das alles ein wenig hysterisch vor und nach der ganzen Lobhudelei der letzten Jahre, nach den Preisen und Auszeichnungen hatte ich den Eindruck, dass man mir wieder mal einen Dämpfer verpassen wollte. Vielleicht störte es manchen, dass ich als Vorzeigeintegrierter immer noch mein Maul aufmache und so rede, wie die Leute auf der Straße eben reden. Vielleicht hätte ich noch netter, noch freundlicher und noch dankbarer auf die ganze Zuneigung reagieren sollen, die mir entgegengebracht wurde. Aber warum? Ist es etwas Besonderes, wenn man als Ausländer in dieser Gesellschaft akzeptiert wird? Ich denke, nicht. Ich denke, das müsste eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, und genau so verhalte ich mich und genau so verhält sich auch mein Freundeskreis. Dass dies als Frechheit ausgelegt wird – das ist dann vielleicht euer Problem.
    Wenn man mir nun den Vorwurf machen will, dass ich mein Geld in andere Geschäftszweige stecke und der Rapper jetzt auch noch im Immobiliengeschäft Profit macht, dann sollte man vielleicht auch so manchem vermeintlich seriösen Konzern vorwerfen, dass er Geld in Streubomben und Landminen investiert. Dann sollte man doch bitte schön den Kapitalismus an sich auf die Anklagebank setzen. Hate the game, don’t hate the player. Aus diesem Grund denke ich, dass ich und diese Gesellschaft, in der ich lebe,
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