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Schabernackel

Schabernackel

Titel: Schabernackel
Autoren: Werner Schrader
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    Ich bin der Schabernackel,
    hihi, haha, huhu!
    Ich mach nicht viel Gefackel
    und schau nicht lange zu.
    Wenn irgend jemand in der Stadt
    ‘nen Triller und ‘ne Meise hat,
    dann öffne ich den Lumpensack
    und spiel ihm einen Schabernack
    und schau dem dummen Lackel,
    wie er sich ärgert, zu.
     
    Aus einer weißen Wolke kam der Gesang. Aus der Wolke, die soeben sanft und leise über ein Haus in der Lindenstraße hinwegschwebte, ohne gegen den Schornstein oder die Fernsehantenne zu stoßen. Jetzt verstummte der Sänger, das Lied war zu Ende. Nur noch ein Kichern war zu hören. Und plötzlich schob sich ein kleines rundes Gesicht über die Wolke, zwei grüne Augen blinzelten an der roten Knollennase vorbei auf die Erde herab und schienen dort etwas zu suchen.
    Es war Schabernackel persönlich, der da oben den Kopf aus seiner Reisewolke steckte. Er hatte nämlich etwas gehört da unten vor dem Haus Nummer vier, was ihm nicht gefiel. Zwei Frauen standen im Vorgarten und erzählten sich was. Das heißt, es sprach eigentlich nur die eine, die andere nickte bloß und sagte höchstens mal einen Satz dazwischen und manchmal sogar nur einen halben.
    Frau Schnatter war die Frau, die soviel redete, und die andere war Frau Gernlich.
    „Stellen Sie sich vor“, sagte Frau Schnatter gerade und lachte spöttisch, „dabei hat sie nur das eine Kleid, dieses billige Fähnchen aus dem Kaufhaus! Nicht mal dreißig Mark hat es gekostet, das weiß ich genau. Siebenundzwanzig Mark achtzig oder achtundzwanzig Mark siebzig, das kann man ja verwechseln. Ich hab es gesehen, als es an der Wäscheleine hing, gleich am zweiten Abend! Glühwein hatte sie sich draufgegossen, die Schlampe, und der macht doch so scheußliche Flecke! Na ja, und da mußte sie es sofort auswaschen. Und wie es da so hing an der Wäscheleine, hab’ ich schnell ein paar Handtücher ins Wasser gesteckt und bin auch ‘runter auf den Trockenplatz. Ganz unauffällig geh ich so an dem Kleid vorbei, und was soll ich Ihnen sagen, das Preisschild hing noch dran! Unten am Saum, wissen Sie, wo man es leicht übersehen kann. Aber mir fiel es natürlich auf, ich hab’ ja gute Augen, besonders für solche Sachen.“

    „O ja, Frau Schnatter, gute Augen haben Sie“, rief Frau Gernlich, „und eine feine Nase, möchte ich mal sagen.“
    „Darauf können Sie sich verlassen“, stimmte Frau Schnatter zu und lachte wieder. „Meine Nase ist eine richtige Spürnase, der entgeht nichts! Also wie ich da so auf dem Trockenplatz stehe, dreh ich das Preisschild ein wenig, so im Niederbeugen, verstehen Sie? Als ob ich den Wäschekorb mal abstellen müßte. Und da sehe ich die Zahlen ganz deutlich vor mir: dreiundzwanzig Mark vierzig oder vierundzwanzig Mark dreißig.“
    „Oh“, wunderte sich Frau Gernlich, „haben Sie eben nicht siebenundzwanzig Mark achtzig gesagt?“
    Frau Schnatter kniff die Augen zusammen.
    „Hab’ ich das?“ rief sie ungläubig. „Na ja, kann schon sein. Aber das ist ja auch kein Preis für ein Kleid. So eine Angeberin! denke ich jedenfalls. Nicht mal dreißig Mark hat sie ausgegeben und stolziert in dem billigen Fetzen herum wie eine Filmschauspielerin. Wenn das nicht die Höhe ist! Aber die Person hat ja kein Gefühl für Schicklichkeit. Die ist ja so hochmütig und eingebildet, daß man sich ganz klein vorkommt, wenn man ihr begegnet. Nicht, daß sie wegguckt! Nein, sie sagt guten Tag und guckt einem mitten ins Gesicht, aber mit so einem falschen süßlichen Lächeln, wissen Sie, als ob sie eine Königin wäre und man selber ein Bettler oder ein Landstreicher. Ich kann dann immer nur mit dem Kopf nicken, mir bleibt jedes Wort im Halse stecken. Und darum dachte ich mir...“
    Was Frau Schnatter sich dachte, hörte Schabernackel nicht mehr. Er hob das linke Bein ein wenig in die Höhe, da nahm die Wolke wieder Fahrt auf und schwebte davon.
    „Mir scheint“, murmelte er, „ich bin im rechten Augenblick gekommen. Die alte Schnattertante verdient einen Denkzettel, den sie nie wieder vergißt! So schlecht über andere Leute zu reden, nur weil sie wenig Geld haben und sich keine teuren Kleider kaufen können, ist eine Gemeinheit!“ Er steuerte die Wolke über die letzten Häuser der Stadt hinweg bis zum Wald und landete dort sicher auf einem kleinen freien Platz mitten zwischen den Bäumen. Vorsichtig nahm er den großen Sack, der vorne in der Wolke lag, heraus und stellte ihn auf den Waldboden.
    „Mein lieber guter Lumpensack“, sagte er, „hoffentlich
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