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Der Tote im Kofferraum

Der Tote im Kofferraum

Titel: Der Tote im Kofferraum
Autoren: Mary Scott - Joyce West
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    Dichter Nebel verhüllte die Sicht. Delia hielt mit ihrem Auto nun schon zum fünftenmal an und warf einen Blick auf die Uhr. Es war halb zehn. Um diese Zeit lichtete sich für gewöhnlich der Winternebel. Sie stieg aus und putzte die Scheiben des häßlichen alten Wagens. Offensichtlich hatte sie sich verfahren. Sie war von der Straße abgekommen und stand nun auf einem grasbewachsenen Feldweg.
    Sie tappte einige Meter durch den dichten Nebel, streckte dabei einen Arm aus, um nach einem Zaun zu suchen, und fühlte plötzlich etwas Warmes, Haariges unter ihrer Hand. Überrascht und ein wenig erschrocken wich sie zurück, dann lachte sie erleichtert. Sie hatte ihre Hand auf den Rücken einer Kuh gelegt, die sich vielleicht genau wie sie im Nebel verirrt hatte.
    Die Kuh zog ruhig ihrer Wege, und Delia ging weiter, langsamer und noch vorsichtiger, denn sie wollte nicht auch noch einen Stier streicheln. Ein schlanker Baum ragte gespenstisch vor ihr auf, weit und breit war keine Straße zu sehen. Wo war sie nur? Zögernd stieg sie wieder in ihr Auto ein.
    Ihre Mutter hatte recht gehabt mit ihrem Rat, nicht zu zeitig aufzubrechen. »Warte bis Mittag. Du kennst diese Winternebel, in der Nähe des Sees sind sie besonders schlimm. Und dazu noch dein gräßliches altes Auto mit seinen Tücken! Ich verstehe nicht, warum Clive es dir überlassen hat, als er in die Antarktis ging. Nicht die beste Art, seine Zuneigung zu zeigen.«
    Delia lachte, als sie an die Worte ihrer Mutter dachte. Alle Männer, die ihr jemals Zuneigung entgegengebracht hatten, waren so untüchtig und unpraktisch wie Clive. Ihre Vermächtnisse waren oft seltsam. »Alles mögliche, was sie selbst nicht mehr wollen und von dem sie nicht wissen, wie sie es loswerden können«, hatte ihre Mutter gesagt, als sie einer riesigen, stets übelgelaunten Katze und einem Schreihals von Wellensittich Obdach geben mußte. »Ich wünschte, Darling, du hättest seriösere Bewunderer — und nicht so seltsame Käuze.«
    Delia stimmte ihr zu. Als sie jetzt im Nebel festsaß und überlegte, ob sie wohl auf dem schmalen Pfad Clives altes Auto wenden könnte, dachte sie halb belustigt und halb wehmütig, daß sie offenbar unfähig war, einen passenden Mann zu finden. »Der Lahme, der Krüppel und der Blinde«, charakterisierte sie scherzhaft ihre Verehrer. Und während sie an zwei unglückliche frühere Abenteuer dachte, fügte sie noch den »Galgenvogel« und den »Schwachsinnigen« hinzu.
    Es ist ein Jammer, bedauerte sie ehrlich ihre Situation. Sie hätte gern geheiratet, wenn... Selbstverständlich, wenn... Bisher hatte sie sich immer in Männer verliebt, die sie entweder nicht heiraten konnten oder wollten. Und weil sie sich einsam und durch den Nebel von der Außenwelt abgeschnitten fühlte, sprach sie laut mit sich selbst: »Die Wahrheit ist, daß du viel zu schnell Feuer und Flamme bist. Du bildest dir ständig ein zu lieben. Aber es sind immer Männer, die deine Liebe möglicherweise gar nicht erwidern können oder bereits verheiratet sind. Das ist ein rechtes Unglück für dich, weil du vierundzwanzig bist und es höchste Zeit wird, diese unsinnigen Verhältnisse abzubrechen und wie alle deine Freundinnen zu heiraten.«
    Sie hatte beschlossen, das Wendemanöver nicht zu riskieren, sondern langsam auf dem Feldweg weiterzufahren, bis sie einen Wegweiser oder eine Landstraße finden würde. Sie war ganz sicher, daß sie bald ihr Ziel erreichen müßte. Und wenn sich der Nebel erst lichtete, würde sie endlich die Einmündung des Feldwegs in die Straße nach Greenvale erkennen können.
    Es war ärgerlich, daß sie soviel Zeit verlor. Dr. Shaw hatte ihr ans Herz gelegt, möglichst noch vor dem Mittagessen in Greenvale anzukommen. »Mr. Warwick-Smith muß wegfahren, und seine Frau darf nicht lange allein bleiben. Sind Sie sicher, daß Sie rechtzeitig eintreffen?«
    Delia hatte ihm wortreich versichert, daß sie die Pünktlichkeit in Person wäre, und nun war sie vom Wege abgekommen und hatte nicht die geringste Ahnung, wie es weitergehen sollte. Der erste Eindruck wird gleich schlecht sein, dachte Delia enttäuscht. Dabei wollte sie sich besondere Mühe geben, in ihrer neuen Tätigkeit erfolgreich zu sein, besonders wegen der düsteren Prognosen, die man ihr gestellt hatte.
    »Gesellschafterin für eine kränkliche Frau?« hatte man sie mitleidig gefragt. »Du bist verrückt. Du wirst nichts Besseres als ein Mädchen für alles sein. Warum um alles in der
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